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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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sie wollten. Sie zahlten keine Studiengebühren und konnten sich frei in der Europäischen Union bewegen.
    Die Narben der Geschichte waren in Hamburg unschwer zu erkennen, nicht nur in der wieder aufgebauten Altstadt, sondern auch in den Gesetzen und im Wesen der Deutschen. Das neue Deutschland hatte die Toleranz gewissenhaft in seiner Verfassung verankert, und dieser Grundsatz kam in der freizügigsten Asylpolitik der Welt zum Ausdruck. Nachweislich terroristische Gruppen durften in Deutschland Spenden sammeln und Anhänger rekrutieren - allerdings nur, solange sie ausländische Terroristen waren. Es verstieß nicht einmal gegen das Gesetz, einen Terroranschlag zu planen, sofern sich das Ziel außerhalb des Landes befand. Selbstverständlich nutzten viele Extremisten die günstigen Bedingungen, die sie in Deutschland vorfanden.
    Zusätzlich zu den Verfassungshürden, die einer Beobachtung radikaler Gruppen entgegenstanden, gab es auch innerstaatliche Gründe für die Zurückhaltung. Deutschland hatte in seiner Geschichte an Fremdenhass, Rassismus und einem Übermaß an Polizeigewalt gelitten - nun war jede Handlung, die diese Geister wieder ins Leben zu rufen schien, tabu. Der Bundesnachrichtendienst konzentrierte sich lieber auf einheimische Rechtsextreme und schenkte den ausländischen Gruppen wenig Beachtung. Deutschland fürchtete nicht andere, sondern sich selbst. Die unausgesprochene Übereinkunft zwischen den Deutschen und den ausländischen radikalen Gruppen lautete, dass die Behörden die Extremisten nicht behelligen würden, solange sie nicht Deutschland selbst angriffen. Indem es vor seiner eigenen extremistischen Vergangenheit zurückschreckte, verwandelte sich Deutschland ohne es zu merken in das Gastland einer neuen totalitären Bewegung.
    Die radikalen Islamisten hatten wenig mit der nationalsozialistischen Bewegung gemein. Obwohl sie oft beschuldigt wurden, eine faschistische Sekte zu sein, mündete die Feindseligkeit, die in der al-Quds-Moschee brodelte, wo sich Atta und seine Freunde versammelten, nicht in ein klares politisches Programm. Doch wie die Nazis, die im Bewusstsein der „Schande von Versailles“groß geworden waren, legten die Islamisten eine fanatische Entschlossenheit an den Tag, auf der Siegerseite der Geschichte zu stehen, nachdem über so viele Generationen hinweg auf ihnen herumgetrampelt worden war.
    Obwohl Atta lediglich vage sozialistische Vorstellungen von einer Regierung hatte, füllten er und seine Gruppe doch die gern ignorierte politische Lücke, die die Nazis zurückgelassen hatten. Einer von Attas Freunden, Munir al-Motassadeq, bezeichnete Hitler als „guten Mann“. 19 Und Atta erklärte wiederholt, die Juden kontrollierten von ihrer Weltzentrale in New York aus die Medien, Banken, Zeitungen und die Politik; zudem war er davon überzeugt, dass die Juden die Kriege in Bosnien, im Kosovo und in Tschetschenien geplant hätten, um dem Islam zu schaden. Er hielt Monica Lewinsky für eine jüdische Agentin, die geschickt worden sei, um Clintons Präsidentschaft zu untergraben, weil er Sympathie für die Sache der Palästinenser entwickelt habe.
    Der extrem unnachgiebige Charakter, der jedermann an Atta auffiel, war ein Wesenzug der Nazis und wurde zweifellos durch sein Bedürfnis verstärkt, den Verlockungen dieser großzügigen Stadt zu widerstehen. Der junge Stadtplaner muss die Sauberkeit und Effizienz der Hansestadt bewundert haben, die das Gegenteil seiner Heimatstadt Kairo war. Aber die verabscheuungswürdigen Eigenschaften, die Sajid Qutb in den Vereinigten Staaten kennen gelernt hatte - ihr Materialismus, ihre Liederlichkeit, ihre falsche Spiritualität -, waren in den Augen Attas auch in Hamburg mit seinen dröhnenden Spielhöllen, seinen in Schaufenstern sitzenden Prostituierten in der Herbertstraße und seinen großartigen, aber leeren Kirchenhäusern unübersehbar.
    Im Zweiten Weltkrieg war Hamburg ein wichtiges Zentrum des Schiffbaus gewesen; hier waren die Bismarck und die deutsche U-Boot-Flotte gebaut worden. So war die Stadt natürlich ein vorrangiges Ziel für die alliierten Bombenangriffe geworden. Im Juli 1943 begann die „Operation Gomorrha“zur Zerstörung Hamburgs, der bis zu jenem Zeitpunkt massivste Luftangriff in der Geschichte. Die Bombardements gingen weit über die Zerstörung der Fabriken und des Hafens hinaus. Die bei Tag und Nacht heranrollenden Angriffswellen erzeugten einen Feuersturm, der etwa 35 000 Menschen tötete. Das Ziel bestand

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