Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
darin, die Bevölkerung zu demoralisieren.
Atta lebte in einer Wohnung in einem nach dem Krieg wieder aufgebauten Haus in der Marienstraße 54. Die Häuser in dieser Straße waren bei den Bombardements fast vollkommen zerstört worden.
Atta war ein Perfektionist; in seinem Fachbereich war er ein fähiger, wenn auch nicht kreativer Handwerker. Er hatte ein feminines Auftreten: er wurde als „elegant“und „fein“beschrieben, und seine sexuelle Orientierung - soweit er sie zum Ausdruck brachte - war schwer zu erkennen. 20 Er hatte wache und intelligente schwarze Augen, die jedoch kaum Emotionen verrieten. „Es fiel mir schwer, zwischen seiner Iris und seiner Pupille zu unterscheiden, was ihm an sich schon ein sehr Furcht einflößendes Aussehen verlieh“, erinnerte sich eine seiner Studienkolleginnen. „Er hatte ein ungewöhnliche Angewohnheit: Wenn er eine Frage gestellt hatte und sich die Antwort anhörte, presste er die Lippen fest zusammen.“ 21
Am 11. April 1996, Atta war gerade einmal 27 Jahre alt, unterzeichnete er ein genormtes Testament, das er in der al-Quds-Moschee erhalten hatte. 22 An diesem Tag hatte Israel die Operation „Früchte des Zorns“gestartet und den Libanon angegriffen. Einer von Attas Freunden berichtete, er sei von rasender Wut erfasst worden, und indem er seinen letzten Willen unterschrieb, bot er an, sein Leben für einen Gegenschlag zu opfern. 23
Obwohl die in dem Testament ausgedrückte Haltung den islamischen Glaubensgrundsätzen entsprach, kam darin eine ausgeprägte Abneigung gegenüber Frauen zum Ausdruck, die in Attas Augen ähnlich mächtig und korrupt waren wie die Juden. In seinem letzten Willen heißt es: „Keine schwangere Frau und kein Ungläubiger dürfen an meinem Begräbnis teilnehmen oder mein Grab besuchen. Keine Frau soll mich um Vergebung bitten. Diejenigen, die meinen Körper waschen, müssen Handschuhe tragen, um meine Genitalien nicht zu berühren.“Der offene Hass auf die Frauen und die panische Angst vor dem sexuellen Kontakt legt die Vermutung nahe, dass Attas Hinwendung zum Terrorismus ebensoviel mit seinen sexuellen Problemen wie mit dem Aufeinanderprallen der Kulturen zu tun hatte.
MOHAMMED ATTA, Ramsi Bin al-Schibh, Marwan al-Schehhi und Siad Dscharrah, die vier Freunde aus Hamburg, trafen im November 1999 im Lager Chaldan ein, wo sie an einem ersten Ausbildungskurs teilnehmen wollten.
Es war ein günstiger Zeitpunkt.
In den drei Jahren, die vergangen waren, seit Chaled Scheich Mohammed Bin Laden in einer Höhle in Tora Bora seine „Flugzeugoperation“vorgeschlagen hatte, hatte al-Qaida die Möglichkeiten für einen großen Angriff auf amerikanischem Boden geprüft. 24 Mohammed schwebten zwei Angriffswellen mit jeweils fünf entführten Passagierflugzeugen vor, die von der Ostküste der Vereinigten Staaten und aus Asien kommen sollten. Neun dieser Flugzeuge sollten in ausgewählte Ziele gesteuert werden, darunter die Zentralen von CIA und FBI sowie mehrere Atomkraftwerke. Chaled Scheich Mohammed selbst würde das letzte Flugzeug steuern. Er würde alle Männer an Bord töten, anschließend eine Erklärung zur Verurteilung der amerikanischen Politik im Nahen Osten abgeben, das Flugzeug schließlich landen und Frauen und Kinder freilassen.
Diesen seltsamen Einfall lehnte Bin Laden ab, aber im Frühjahr 1999 zitierte er Mohammed nach Kandahar und gab grünes Licht für das übrige Vorhaben. 25
Einige Monate später trafen sich Bin Laden, Chaled Scheich Mohammed und Abu Hafs in Kandahar, um geeignete Ziele auszuwählen. An den Gesprächen waren nur diese drei Männer beteiligt. 26 Ihr Ziel war es, möglichst großen symbolischen Schaden anzurichten. Bin Laden glaubte sogar, die Vereinigten Staaten als politisches Gebilde zerstören zu können. „Amerika ist eine große Macht von ungeheurer militärischer Stärke und besitzt eine gewaltige Wirtschaft“, gestand er später ein, „aber all das ruht auf einem instabilen Fundament, das man erschüttern kann, wenn man seinen offenkundigen Schwachstellen Aufmerksamkeit schenkt. Wird Amerika nur an einem Hundertstel dieser Schwachstellen getroffen, so wird es wanken, auseinanderfallen und die Führung der Welt aufgeben, so Gott will.“ 27 Er glaubte, dass sich der amerikanische Staatenbund zwangsläufig auflösen würde.
In Anbetracht dieses Ziels war es folgerichtig, dass Bin Laden das Weiße Haus und das Kapitol angreifen wollte. Das Pentagon stand ebenfalls auf seiner Liste. Wenn es ihm
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