Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
dabei nicht viel mitzureden. Manchmal wurden sie unterhalb ihres vermeintlichen sozialen Status verheiratet - etwa mit einem Fahrer -, was natürlich die künftige Stellung ihrer Kinder in der Großfamilie beeinflusste. Alia hatte Glück, als sich Mohammed von ihr trennte. Er überließ sie einem seiner Geschäftsführer, Mohammed al-Attas, der ein Nachkomme des Propheten war. 81 Osama war damals vier oder fünf Jahre alt. 82 Er zog mit seiner Mutter einige Straßen weiter, in ein bescheidenes zweistöckiges Einfamilienhaus in der Dschabalal-Arab-Straße. Es war ein weißes Stuckgebäude mit einem kleinen Hof und einem filigranen schwarzen Eisentor vor der Garage. Auf dem Flachdach ragte eine große Fernsehantenne in den Himmel. Über einem der Hauseingänge befand sich ein braun-weiß gestreiftes Sonnensegel - das war der Eingang für die Frauen; die Männer betraten das Haus durch das Tor im Hof.
Im September 1967 kam Mohammed Bin Laden bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, als er zur Hochzeit mit einer weiteren jungen Braut unterwegs war. 83 Sein Leichnam war so verstümmelt, dass er nur anhand seiner Armbanduhr identifiziert werden konnte. 84 Mohammed war bis zu seinem Tod ein aktiver, gesunder Mann, noch keine 60 Jahre alt und auf dem Höhepunkt einer erstaunlichen Karriere. „König Faisal sagte nach dem Tod meines Vaters, an diesem Tag habe er seinen rechten Arm verloren“, bemerkte Osama einmal. 85 Mohammeds Söhne waren noch nicht alt genug, um das Familienunternehmen weiterzuführen, daher bestellte der König drei Treuhänder, die das Unternehmen in den folgenden zehn Jahren leiteten. 86 Einer dieser Männer, Scheich Mohammed Saleh Bahareth, kümmerte sich auch um die Ausbildung von Bin Ladens Kindern. Ihr Erbe wurde zurückbehalten, bis sie 21 Jahre alt waren - ihr Vermögen bestand zum größten Teil aus Anteilen an dem Firmenimperium, das ihr Vater aufgebaut hatte.
DIE EHE zwischen Alia und ihrem zweiten Mann erwies sich als dauerhafte Verbindung. Attas war gutmütig und ruhig, doch sein Verhältnis zu seinem Stiefsohn war belastet durch die Tatsache, dass Osama das Kind seines Arbeitsgebers war. Osama kam aus einem Haus voller Kinder nun in ein Haus, in dem er das einzige Kind war. Schließlich bekam er noch drei jüngere Halbbrüder und eine Halbschwester, um die sich Osama fast wie ein dritter Elternteil kümmerte. „Wenn sein Stiefvater wollte, dass seine Kinder etwas taten, sagte er es Osama“, erinnerte sich Chaled Batarfi, der gegenüber auf der anderen Straßenseite wohnte und Osamas Spielgefährte wurde. „Seine Brüder erzählten, dass sie Osama mehr fürchteten als ihren Vater.“Nur gegenüber seiner Mutter ließ Osama seine autoritäre Maske fallen. „Sie war der einzige Mensch, mit dem er sich über alltägliche Dinge unterhielt“, berichtete Batarfi, „etwa darüber, was er zu Mittag gegessen hatte.“
Chaled Batarfi und Osama Bin Laden gehörten der gleichen Volksgruppe an, dem Kendah-Stamm, der rund 100 000 Mitglieder umfasst. Der Stamm kam ursprünglich aus dem Nadschd im Herzen des Königreiches, war dann aber nach Hadramaut im Jemen ausgewandert. „Die Kendah gelten als schlau“, erzählte Batarfi. „Sie sind gewöhnlich sehr kämpferisch, lieben Waffen und sind etwas eingebildet.“Chaled empfand seinen neuen Spielkameraden als „ruhig, scheu, fast mädchenhaft. Er war friedlich, aber wenn er wütend wurde, konnte man Angst bekommen.“
Osama schaute gern fern, vor allem Westernfilme. Bonanza war seine Lieblingsserie, er war auch fasziniert von Fury, einer Serie über einen kleinen Jungen und dessen schönen schwarzen Hengst. Im Sommer spielten die Jungen nach dem Morgengebet zusammen Fußball. Osama war ein durchschnittlicher Spieler, der sich wohl hätte verbessern können, wenn er sich stärker auf den Sport konzentriert hätte. Doch er war mit seinen Gedanken immer woanders.
Nach dem Tod Mohammed Bin Ladens schickte der Treuhänder die meisten Söhne der Familie zur Ausbildung in den Libanon. Nur Osama durfte zu Hause bleiben, wodurch ihm später das Etikett anhaftete, der provinziellste der Bin-Laden-Jungen zu sein 87 , obwohl er die beste Schule in Dschidda besuchte, die Schule al-Thagr, die an der Straße nach Mekka liegt. 88 Faisal hatte diese Schule Anfang der fünfziger Jahre für die Ausbildung seiner eigenen Söhne eingerichtet. Es war eine kostenlose öffentliche Schule, die jedoch sehr hohe Ansprüche stellte und deren Leiter dem König unmittelbar
Weitere Kostenlose Bücher