Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
löste das Problem des Ausrüstungstransports dadurch, dass er die großen Maschinen zerlegte und die Teile auf die Rücken von Eseln und Kamelen verlud. 50 Vor Ort wurden die Bulldozer und Traktoren wieder zusammengebaut.
In Taif entstand die Legende, Bin Laden habe, um die Streckenführung festzulegen, einmal einen Esel über die Bergkuppe geschoben und sei ihm nachgestiegen, als er sich vorsichtig seinen Weg ins Tal suchte. 51 20 Monate lang 52 , ab 1961 53 , lebte er zusammen mit seinen Arbeitern auf dem Berghang, bereite selbst die Dynamitladungen vor 54 und markierte den Weg für die Bulldozer mit Kreide 55 . Doch die Arbeit ging nur schleppend voran. Hin und wieder erschien Faisal an der Baustelle, um zu schauen, warum die Kosten aus dem Ruder liefen. 56
Die zweispurige Straße, die Bin Laden baute, führt in weiten Schleifen die Granitfelsen hinab, unter kreisenden Raubvögeln und durch mehrere geologische Zeitzonen. In der Ferne schimmert das Rote Meer am Horizont, dahinter liegt das karge Ufer des Sudan. Das Können der Bauarbeiter zeigt sich noch heute in den Steinmauern und Brücken, die den nahegelegenen Karawanenweg nachbilden. Nach ungefähr zwei Dritteln des Weges wird das Granitgestein des Berges durch Basalt abgelöst, dann durch Sandstein; die Straße verbreitert sich auf vier Spuren und verliert an Gefälle; und schließlich läuft die Straße, nun unbeengt und sechsspurig, in die gelbe Wüste hinaus. Die Straße zwischen Taif und Mekka ist nur knapp 90 Kilometer lang; doch durch ihren Bau wurde Saudi-Arabien endgültig vereint, und Mohammed Bin Laden stieg zu einem Volkshelden auf.
IM WÜSTENKÖNIGREICH ist es Brauch, dass im Fastenmonat Ramadan Bettler den Prinzen und wohlhabenden Mitgliedern der Gesellschaft Bittschriften überreichen; das ist eine sehr persönliche und unmittelbare Form der Wohltätigkeit. Mohammed Bin Laden war bekannt als frommer und freigebiger Mensch. So bezahlte er einem Mann, der sein Augenlicht verloren hatte, eine Operation in Spanien. 57 Ein anderes Mal bat ihn ein Mann um Unterstützung beim Bau eines Brunnens für sein Dorf. Bin Laden stellte nicht nur den Brunnen zur Verfügung, er spendete auch eine Moschee. Er mied die Bekanntheit, die üblicherweise mit solchen großzügigen Spenden verbunden ist, und erklärte, er wolle damit Gott dienen und nicht Ruhm erwerben. „Ich erinnere mich, dass er stets die Gebetszeiten einhielt und auch die Menschen in seiner Umgebung zum Beten anhielt“, erzählte sein Sohn Osama einmal. „Ich kann mich nicht entsinnen, dass er jemals etwas getan hätte, was dem islamischen Recht widersprach.“ 58
Die schillernde Seite von Mohammed Bin Ladens Persönlichkeit zeigte sich in seinen Beziehungen zu Frauen. Der Islam erlaubt Männern vier Ehefrauen, und auch die Scheidung ist sehr unkompliziert, zumindest für den Mann, der nur zu erklären braucht: „Ich scheide mich von dir.“Bis zu seinem Tod hatte Mohammed Bin Laden offiziell 54 Kinder mit 22 Frauen gezeugt. 59 Es lässt sich nicht ermitteln, mit wie vielen Frauen er insgesamt verehelicht war, da er häufig am Nachmittag „heiratete“und sich schon am selben Abend wieder von der Frau trennte. 60 Einer seiner Mitarbeiter überprüfte anschließend, ob aus der Verbindung ein Kind hervorging. 61 Zudem hielt sich Bin Laden zahlreiche Konkubinen, die in seinem Haushalt leben durften, wenn sie ihm Kinder schenkten. 62 „Mein Vater sagte immer, er habe 25 Söhne für den heiligen Krieg gezeugt“ 63 , erinnerte sich Osama, sein 17. Sohn. 64
Mohammed hatte bereits in den fünfziger Jahren eine Syrerin aus der Hafenstadt Latakia geheiratet. 65 Er kam häufig auf Geschäftsreisen in diese Gegend und lernte dort im Sommer 1956 ein 14-jähriges Mädchen 66 namens Alia Ghanem kennen. 67 Ihre Eltern waren Zitronenbauern und lebten in Omraneia und Babrion, zwei kleinen Dörfern in der Nähe der Hafenstadt. Diese Region ist eine Hochburg der Alawiten 68 , einer Gruppe im schiitischen Islam, die nach eigenen Angaben in Syrien 1,5 Millionen Mitglieder zählt und der auch die Herrscherfamilie Assad angehört. Im Islam werden die Alawiten häufig als ein Kult verunglimpft, da ihr Glauben auch christliche, zoroastrische und heidnische Elemente enthält. Sie glauben an die Reinkarnation und daran, dass sich ein Mensch nach seinem Tod in ein anderes Wesen oder vielleicht auch einen Stern verwandelt. Zudem bedienen sie sich der Takija , der Praxis der religiösen Verleugnung, und verheimlichen
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