Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
seine Kusine aus dem Dorf seiner Mutter in Syrien. Najwa war ungewöhnlich groß und recht hübsch. In Osamas Haus fand eine kleine Hochzeitsfeier für die Männer statt, die jedoch die Braut nicht zu sehen bekamen. 99 Bin Ladens künftige Schwägerin Carmen beschrieb Najwa als sanftmütig und „ständig schwanger“. 100
In dieser Zeit schloss sich Osama Bin Laden auch den Muslimbrüdern an. Die Organisation war in den siebziger Jahren in Saudi-Arabien noch weitgehend eine Untergrundbewegung. „Nur Verrückte machten dort mit“, erinnerte sich ein damaliges Mitglied. 101 Bei den Mitgliedern handelte es sich um zutiefst religiöse junge Leute wie Osama Bin Laden; sie arbeiteten zwar nicht aktiv gegen die Regierung, aber ihre Treffen waren geheim und fanden in Privatwohnungen statt. Manchmal unternahm die Gruppe gemeinsam Pilgerfahrten nach Mekka oder Ausflüge an den Strand, wo sie missionierten und beteten. „Wir hofften, irgendwo einen islamischen Staat errichten zu können“, sagte Dschamal Kaschoggi, ein Freund Bin Ladens, der ungefähr zur selben Zeit zur Bruderschaft stieß. „Wir glaubten, dass der erste islamische Staat weitere nach sich ziehen und einen Dominoeffekt auslösen würde, welcher der Geschichte der Menschheit eine neue Richtung geben würde.“
Osama Bin Laden schrieb sich 1976 an der König-Abdul-Asis-Universität in Dschidda ein. Er studierte Wirtschaftswissenschaft, widmete sich jedoch hauptsächlich den religiösen Aktivitäten auf dem Campus. 102 „Ich gründete eine religiöse Wohlfahrtsorganisation an der Universität, und wir verbrachten viel Zeit mit der Auslegung des Korans und des Dschihad“, erzählte er später. 103
In seinem ersten Jahr an der Universität lernte Osama Bin Laden Mohammed Dschamal Chalifa kennen, ebenfalls Mitglied der Muslimbruderschaft, der sein bester Freund werden sollte. Dschamal Chalifa war ein Jahr älter als Osama. Der gesellige, freundliche junge Mann kam aus bescheidenen Verhältnissen, doch sein Stammbaum reichte zurück bis zum Propheten, was ihm in der islamischen Gemeinschaft trotz seiner finanziellen Situation eine herausgehobene Stellung eintrug. Er und Osama spielten zusammen Fußball. Bin Laden spielte aufgrund seiner Größe und seiner Schnelligkeit stets als Stürmer, war immer ganz vorne mit dabei. Bald wurden die beiden jungen Männer unzertrennlich.
An den Wochenenden zogen sie hinaus in die Wüste zwischen Dschidda und Mekka und hielten sich gewöhnlich auf dem Anwesen der Familie Bin Laden auf, einer Oase namens al-Barud. Um die Beduinen daran zu hindern, sich auf seinem Grund niederzulassen, hatte Bin Laden eine kleine Hütte errichtet, kaum mehr als eine Küche mit Toilette, und das Land zu bewirtschaften begonnen. Er hielt sich eine kleine Schafherde und einen Stall mit Pferden. Selbst im Sommer streifte er sich die Schuhe ab, nachdem er hier angekommen war, und ging barfuß durch den glühend heißen Sand. 104
„Osama war sehr halsstarrig“, erzählte Chalifa. „Wir ritten mit Pferden durch die Wüste, wir ritten sehr schnell. Ich sah feinen Sand vor uns und sagte zu Osama, das ist gefährlich, bleiben wir lieber weg davon. Er sagte nein und ritt weiter. Sein Pferd stolperte, und er stürzte. Er stand auf und lachte. Ein anderes Mal fuhren wir mit einem Jeep. Immer wenn er einen Hügel entdeckte, raste er darauf zu und drüber hinweg, obwohl wir gar nicht wussten, was uns auf der anderen Seite erwartete. Er hat uns wirklich oft in Gefahr gebracht.“
Für beide Männer war dies eine Zeit der spirituellen Prüfung. „Der Islam unterscheidet sich von allen anderen Religionen; er ist eine Lebensweise“, erklärte Chalifa. „Wir wollten begreifen, was der Islam darüber sagt, was wir essen, wen wir heiraten und wie wir reden sollen. Wir haben Sajid Qutb gelesen. Er war derjenige, der unsere Generation am stärksten beeinflusst hat.“Viele Professoren an der Universität waren Muslimbrüder, die aus Ägypten oder Syrien geflohen waren. Sie waren mit der Idee eines stark politisch geprägten Islams gekommen, eines Islams, der Staat und Religion zu einer einzigen, allumfassenden Theokratie verbindet. Bin Laden und Chalifa fühlten sich zu diesen Männern hingezogen, weil sie aufgeschlossener zu sein schienen als die saudischen Religionsgelehrten und bereit waren, ihnen den Zugang zu jenen Büchern zu ermöglichen, die ihr Leben verändern sollten, wie etwa Qutbs Meilensteine und Im Schatten des Korans. Jede Woche hielt
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