Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
größte Sandwüste der Welt. Fliegt man über die Mitte des Landes, sieht man eine eintönige, von Geröll übersäte Ebene. Im nördlichen Teil flogen die Piloten damals gern etwas tiefer, um die Überreste der Hedschas-Eisenbahn zu sehen, die von den arabischen Truppen unter Führung von T. E. Lawrence im Ersten Weltkrieg zerstört worden war. 46
Nach Süden hin steigt das Terrain plötzlich an und bildet die Sarawat-Kette, eine schroffe Gebirgsbarriere, die sich rund eineinhalbtausend Kilometer durch die Wüste erstreckt, von Jordanien bis zur Südspitze des Jemen. Einige Gipfel dieser Bergkette erreichen mehr als 3 000 Meter Höhe. Das Sarawat-Gebirge teilt das Land in zwei ungleiche Hälften, wobei der kleinere westliche Teil, der weltoffene Hedschas, eingezwängt ist zwischen den Bergen und dem Roten Meer und dadurch abgetrennt ist von der Weite und der radikalen Spiritualität des Landesinneren.
Wie ein Wachposten auf der Bergkuppe wirkt der alte Ferienort Taif. Es ist ein unvergleichlicher Ort in Arabien. Der Wind vom Roten Meer trifft hier auf das Gebirge, wodurch eine kühle Luftströmung von unten entsteht, die das Hochplateau in Nebel hüllt und häufig mit heftigem Regen überzieht. Im Winter gibt es sogar gelegentlich Frost. Vor der Ausbreitung des Islams war diese Region berühmt für ihre Weingärten, später für ihre stacheligen Kaktusfeigen und ihre Obstbäume - Pfirsiche, Aprikosen, Orangen und Granatäpfel. Rosen aus Taif verströmen ein solch kräftiges Aroma, dass man sie zur Parfümherstellung verwendete. Einst stellten hier Berglöwen in wilden Lavendelfeldern den Herden arabischer Spießböcke nach, doch nachdem die Löwen fast ausgerottet worden waren, nahmen die einheimischen Mantelpaviane überhand und streiften wie Meuten aufdringlicher Bettler durch die höheren Berglagen. Hierher, nach Taif, umgeben von kühlen Gärten und dem Duft von Eukalyptus, zog sich der betagte Ibn Saud im November 1953 zum Sterben zurück.
Taif hatte zweimal das Pech, einem Zusammenschluss Arabiens im Wege zu stehen, einmal in religiöser und das zweite Mal in politischer Hinsicht. Im Jahr 630 n. Chr. belagerte der Prophet Mohammed die befestigte Stadt, die sich bis dahin seinem Machtanspruch nicht hatte beugen wollen. Die muslimischen Truppen erhielten von ihrem Führer die Erlaubnis, die Mauern der Stadt unter Einsatz eines Katapults zu zerstören, obwohl damit zu rechnen war, dass dadurch auch Frauen und Kinder getötet würden. (Später diente dieses Ereignis al-Qaida als Präzedenzfall, um am 11. September 2001 die Tötung Unbeteiligter zu rechtfertigen; sie verglich den Einsatz der Flugzeuge mit jenem des Katapults damals. 47 ) Die Belagerung schlug fehl, und Mohammed zog sich zurück, aber binnen eines Jahres traten die Führer der Stadt zum Islam über, und der letzte Außenposten der Ungläubigen fiel. Im Jahr 1924 schließlich, als Ibn Saud Arabien zu vereinigen suchte, ergab sich Taif den Ichwan, worauf die Stadt geplündert und mehr als 300 Männer ermordet wurden; man schlitzte ihnen die Kehlen auf und warf die Leichen in die Brunnen. 48 Mit dem Fall von Taif war der Rest des Hedschas den saudischen Truppen schutzlos preisgegeben.
Nach diesem Massaker führte Faisal, einer der jungen Kriegersöhne von Ibn Saud, die saudischen Kämpfer den steil abfallenden Karawanenweg hinunter, der nach Mekka führte. Dabei hatte er die Vision, dass eines Tages eine echte Straße den Hedschas mit jener Nation verbinden würde, die seine Familie zu schmieden versuchte, wenn auch unter viel Blutvergießen. 49
Doch bis sich Faisal der Sache annahm, blieb eine Straße nach Taif ein unerfüllbarer Traum. Der steile Bergrücken vereitelte alle Bauversuche, mochten sie noch so gut geplant und mit massivem Krafteinsatz vorangetrieben werden. Man konnte zwar einen Weg durch den Fels sprengen, doch dadurch wurde das strategische Problem nicht gelöst, wie man die Ausrüstung herbeischaffen sollte - die Bagger, Bulldozer, Lastwagen und Planierraupen, die für den modernen Straßenbau benötigt werden. Anderenfalls hätte man die Straße wie einen Tunnel bauen müssen, bei dem ein Abschnitt nach dem anderen fertig gestellt wird. Faisal lud mehrere ausländische Firmen ein, Angebote für das Bauprojekt abzugeben, aber keine konnte mit einem praktikablen Konzept aufwarten, obwohl dafür üppige Geldmittel zur Verfügung standen. Dann bot Bin Laden an, die Straße zu bauen. Er legte sogar einen Zeitplan vor.
Bin Laden
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