Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Stamm, der die Bevölkerungsmehrheit in Afghanistan und Pakistan stellt. Er konnte sich auf den pakistanischen ISI stützen und besaß daher auch die Rückendeckung der USA und Saudi-Arabiens. Massud dagegen, einer der begabtesten Guerillaführer des 20. Jahrhunderts, gehörte zu den Persisch sprechenden Tadschiken, der zweitgrößten Volksgruppe in Afghanistan. Massud hatte seine Machtbasis im Pandschir-Tal nördlich von Kabul und kam nur selten nach Peschawar, dem Tummelplatz der Geheimdienste und internationalen Medien.
Die meisten Araber schlugen sich auf die Seite von Hekmatjar, mit Ausnahme von Abdullah Anas, dem Schwiegersohn von Abdullah Assam. Anas überredete den Scheich dazu, Massud zu besuchen, um sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Reise zum Löwen von Pandschir erforderte einen achttägigen Fußmarsch über vier Gipfel des Hindukusch. Auf ihrem Weg durch die Berge dachte Assam über das Debakel von Dschalalabad nach. Er hegte die Sorge, dass der afghanische Dschihad schlecht organisiert und fehlgeleitet sei und letztlich scheitern würde. Die Sowjets waren weg, und jetzt bekämpften sich die Muslime untereinander.
Massud empfing sie mit einer Schutztruppe von 100 Mann an der Grenze zu Pakistan und führte sie hinunter ins Pandschir-Tal. Der Warlord lebte in einer Höhle mit zwei Schlafräumen - „wie ein Zigeuner“, erzählte Anas, der als Dolmetscher fungierte. Assam war angetan von Massuds Bescheidenheit und bewunderte die Diszipliniertheit seiner Truppen, die sich in dieser Hinsicht deutlich von den Horden der anderen Mudschahidin-Führer unterschieden. „Wir sind deine Soldaten“, erklärte Assam. „Wir lieben dich und werden dir helfen.“ 77
Nach seiner Rückkehr nach Peschawar machte Assam kein Geheimnis daraus, dass er seine Einstellung zu Massud geändert hatte. Er reiste sogar nach Saudi-Arabien und Kuwait und verkündete: „Ich habe den wahren islamischen Glaubenskämpfer gesehen. Es ist Massud!“Hekmatjar war erzürnt über Assams Seitenwechsel, der ihn die Unterstützung der Araber kosten konnte.
Assam hatte sich ohnehin bereits viele Feinde mit finsteren Seelen und blutigen Händen geschaffen. Bin Laden riet Assam, nicht nach Peschawar zu kommen, das zu gefährlich geworden war für seinen früheren Mentor. An einem Freitag entdeckten Hekmatjars Leute in einer Moschee in der Nähe von Assams Haus eine große Bombe und entschärften sie. Es war eine Panzerabwehrmine, und sie war unter dem Pult versteckt, an dem Assam beim Vorbeten stand. Wäre sie explodiert, hätte sie Hunderte Gläubige mit in den Tod gerissen. 78
Verwirrt und niedergeschlagen wegen des fortdauernden Bruderkriegs zwischen den Mudschahidin, kehrte Bin Laden nach Saudi-Arabien zurück, um sich mit dem saudischen Geheimdienst zu beraten. Er wollte wissen, auf welcher Seite er kämpfen sollte. Prinz Turkis Stabschef Ahmed Badib erklärte ihm: „Es ist besser, du verschwindest.“ 79
Bevor Bin Laden Peschawar endgültig verließ, kehrteernocheinmal kurz zurück, um sich von Assam zu verabschieden. Durch Bin Ladens Aufstieg war Assam angreifbar geworden, doch ihrer Freundschaft hatte dies keinen Abbruch getan. Die beiden umarmten sich lange und weinten, als wüssten sie, dass sie sich zum letzten Mal sahen. 80
Am 24. November 1989 fuhr Assam mit seinen Söhnen Ibrahim und Mohammed zur Moschee. Mohammed saß am Steuer. Als er den Wagen parkte, detonierte eine am Straßenrand versteckte 20-Kilo-Bombe mit einer solchen Wucht, dass der Wagen zerfetzt wurde. 81 Körperteile wirbelten durch die Luft und verteilten sich über die Bäume und die Stromleitungen. Ein Bein eines von Assams Söhnen durchschlug das Fenster eines 90 Meter entfernten Ladens. Doch Assams Leichnam, so hieß es, sei friedlich ruhend an einer Mauer gefunden worden, völlig unversehrt und in keinster Weise entstellt.
Am Morgen dieses Tages hatte Assams Hauptrivale, Ajman al-Sawahiri, auf den Straßen Peschawars das Gerücht streuen lassen, dass Assam für die Amerikaner arbeite. 82 Am nächsten Tag nahm er an Assams Beerdigung teil und pries den Scheich als Märtyrer, im Chor mit den vielen anderen jubelnden Feinden des Scheiches.
7 DIE RÜCKKEHR DES HELDEN
Ruhm erzeugt zwangsläufig eine ganz eigene Autorität, selbst in Saudi-Arabien, wo Bescheidenheit hoch im Kurs steht und Menschen, die nicht zum Königshaus gehören, nur schwer zu Ansehen gelangen können. Es ist ein Land, das die öffentliche Zurschaustellung von
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