Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Porträts verbietet, mit Ausnahme der Konterfeis der herrschenden Prinzen, die auch die Straßen, Krankenhäuser und Universitäten nach sich benennen und so viel Glanz wie möglich auf sich zu ziehen versuchen. Als Osama Bin Laden im Herbst 1989 in seine Heimatstadt Dschidda zurückkehrte, stand er vor einem Dilemma, das einzigartig war in der jüngeren saudischen Geschichte. Der erst 31-Jährige befehligte eine internationale Freiwilligenarmee von unbekannter Größe. Da auch er selbst an die von der saudischen Presse verbreitete Fabel glaubte, seine arabische Fremdenlegion habe die mächtige Supermacht in die Knie gezwungen, kam er mit großen Erwartungen an seine Zukunft. Er war bekannter als die meisten Prinzen und die höheren Ränge der wahhabitischen Geistlichkeit - er war die erste wirkliche Berühmtheit des Wüstenkönigreichs.
Bin Laden war reich, wenn auch nicht nach den Maßstäben der Königsfamilie oder der großen Kaufmannsdynastien des Hedschas. Der Wert seines Anteils an der Saudi Binladin Group belief sich damals auf 27 Millionen saudische Rial - etwas mehr als sieben Millionen US-Dollar. Darüber hinaus floss ihm ein Teil der jährlichen Gewinne des Unternehmens in Höhe von einer halben bis zu einer Million Rial zu. 1 Er stieg wieder ins Familienunternehmen ein und half beim Bau von Straßen in Taif und Abba. 2 Er besaß ein Haus in Dschidda und eines in Medina, jener Stadt, die er stets besonders geliebt hatte und wo er der Moschee des Propheten nahe sein konnte.
Der junge Idealist kehrte heim mit dem Bewusstsein, gewissermaßen einen göttlichen Auftrag zu haben. Er hatte sein Leben riskiert und war, wie er glaubte, auf wundersame Weise gerettet worden. Er war fortgegangen als Gefolgsmann eines als Helden verehrten muslimischen Kriegers und heimgekehrt als unbestrittener Führer der arabischen Afghanen. Er strahlte eine heitere Zuversicht aus, die wegen seiner angeborenen Bescheidenheit umso ansteckender wirkte. In einer Zeit, in der die Saudis hinsichtlich ihrer Identität in der modernen Welt zunehmend verunsichert waren, erschien Bin Laden als ein makelloses Vorbild. Seine Frömmigkeit und sein bescheidenes Auftreten erinnerten die Saudis an ihr überliefertes Selbstbild eines scheuen und selbstgenügsamen, aber auch leidenschaftlichen und unbeugsamen Volkes. Einige seiner jungen Bewunderer nannten ihn den „Othman seiner Zeit“in Anspielung auf den dritten Kalifen, einen wohlhabenden Mann, der für seine Rechtschaffenheit bekannt war. 3
Bin Ladens Ruhm ließ das Verhalten der saudischen Königsfamilie zwangsläufig in einem unvorteilhaften Licht erscheinen, insbesondere König Fahd, der berüchtigt war für seine Trinkgelage an der französischen Riviera, wo seine fast 150 Meter lange 100-Millionen-Dollar-Jacht Abdul Asis vor Anker lag. 4 Das Schiff verfügte über zwei Swimmingpools, einen Ballsaal, eine Sporthalle, ein Kino, einen transportablen Garten, eine Klinik mit Intensivstation und zwei Operationssälen sowie vier amerikanische Stinger-Raketen. Der König flog auch gern mit seinem 747er-Privatjet nach London - das Flugzeug hatte 150 Millionen Dollar gekostet und verfügte über einen eigenen Springbrunnen. Bei diesen Ausflügen verspielte der König Millionen in den Casinos. Verärgert über die in Großbritannien geltende Sperrstundenregelung, engagierte er eines Abends eigene Blackjack- und Roulettecroupiers, damit er die ganze Nacht in seiner Hotelsuite spielen konnte. 5 Andere Saudi-Prinzen folgten nur zu gern seinem Beispiel, allen voran Fahds Sohn Mohammed, der laut britischen Gerichtsunterlagen Schmiergelder in Höhe von mehr als einer Milliarde Dollar annahm, die er „für Huren, Pornografie, eine Flotte von mehr als 100 Nobelkarossen, Paläste in Cannes und Genf sowie weitere Luxusobjekte wie Schnellboote, Charterflugzeuge, Ski-Chalets und Schmuck ausgab“. 6
Als Mitte der achtziger Jahren der Ölpreis fiel, geriet die saudische Wirtschaft in Schwierigkeiten, doch die Herrscherfamilie genehmigte sich weiterhin große persönliche „Darlehen“von den Banken des Landes, die sie nur selten zurückzahlte. Bei jedem größeren Geschäft mussten „Provisionen“- Schmiergelder - an die königliche Mafia gezahlt werden, um den Deal abwickeln zu können. Einzelne Prinzen beschlagnahmten Grundstücke und mischten sich in Privatunternehmen ein; dies ergänzte die geheimen, nicht unbeträchtlichen monatlichen Zahlungen, die jedes Mitglied der Königsfamilie erhielt.
Weitere Kostenlose Bücher