Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
seinen Pass wiederfand, den sein Vater versteckt hatte, und in den Krieg zurückkehrte - eine Entscheidung mit historischen Konsequenzen.
Eines Tages entdeckte ein Wachposten vor Dschalalabad afghanische Regierungshubschrauber, die auf eine Stellung der Araber zuflogen, gefolgt von Panzern und Infanterie. Sie wurden geleitet von einem abtrünnigen Mudschahid, der seine Kampfgefährten verraten hatte. Der Wächter alarmierte Bin Ladens Männer, damit sie fliehen konnten, doch in diesem Augenblick brachen bereits die gepanzerten Einheiten über sie herein, entschlossen, den gesamten Vorposten zu vernichten.
Bin Laden schaffte es tatsächlich, mit dem Rest seiner Soldaten zu entkommen, aber nur, weil Schafik ihren Rückzug ganz allein mit einem kleinen Mörser deckte. Ohne Schafiks mutiges Handeln, der seinen Kameraden die notwendige Zeit verschaffte, wäre Bin Laden wohl in Dschalalabad umgekommen, und mit ihm sein noch unverwirklichter Traum. Insgesamt starben 80 Araber, darunter auch Schafik, bei diesem größten Fiasko, das die arabischen Afghanen während ihres Kriegseinsatzes erlebten. 70
IHR ERSTES REKRUTIERUNGSTREFFEN veranstaltete Al-Qaida kurz nach dem Debakel von Dschalalabad im Lager Faruk in der Nähe von Khost in Afghanistan. Faruk war ein Takfiristen-Lager, gegründet von Sawahiri und Dr. Fadl, und diente ausschließlich der Ausbildung arabischer Elitekämpfer, die Bin Ladens Privatarmee bilden sollten. 71 Obwohl die Löwenhöhle nicht weit entfernt auf der anderen Seite des Berges lag, wurde das Lager Faruk von den übrigen Stützpunkten abgeschirmt, damit man die jungen Männer streng unter Kontrolle halten konnte. Die Auserwählten waren jung, eifrig und gehorsam. Sie erhielten eine Sonderzahlung und mussten sich von ihren Familien verabschieden. 72
Der Führungsrat, der zur Unterstützung Bin Ladens eingerichtet wurde, setzte sich mehrheitlich aus Ägyptern zusammen, darunter Sawahiri, Abu Hafs, Abu Ubajdah und Dr. Fadl. Andere Mitglieder kamen aus Algerien, Libyen und Oman. Die Organisation eröffnete ein Büro in einem zweistöckigen Haus in Hajatabad, jenem Vorort von Peschawar, wo der Großteil der Araber lebte.
Die neuen Rekruten mussten Formulare in dreifacher Ausfertigung ausfüllen, gegenüber Bin Laden einen Treueid ablegen und sich zur Verschwiegenheit verpflichten. 73 Dafür erhielten sie einen Sold von 1000 Dollar pro Monat, Verheiratete 1500 Dollar. 74 Jeder hatte Anspruch auf ein Heimflugticket einmal im Jahr und einen Monat Urlaub. 75 Es gab medizinische Versorgung, und wer es sich anders überlegte, hatte eine Ausstiegsoption: Er erhielt 2400 Dollar ausgezahlt und konnte seiner Wege gehen. Von Anfang an präsentierte sich al-Qaida als eine attraktive Beschäftigungsmöglichkeit für Männer, deren Ausbildung und deren Werdegang vor allem durch den Dschihad geprägt worden waren.
Die Qaida-Führer formulierten Statuten und Richtlinien, in denen die utopischen Ziele der Vereinigung klar umrissen wurden: „Die Wahrheit verkünden, das Böse ausmerzen und eine islamische Nation errichten“. 76 Dies sollte durch Erziehung und militärische Ausbildung erreicht werden sowie durch die Koordination und die Unterstützung dschihadistischer Bewegungen in aller Welt. Die Gruppe sollte durch einen Befehlshaber geführt werden, der unparteiisch war, entschlossen, vertrauenswürdig, geduldig und gerecht; er sollte über mindestens sieben Jahre Erfahrung im Dschihad verfügen und möglichst einen Hochschulabschluss besitzen. Zu seinen Pflichten gehörten die Ernennung eines Beirats, der sich monatlich traf, die Aufstellung eines Haushalts und die Beschlussfassung über den jährlichen Aktionsplan. Wenn man ihre Organisationsstruktur betrachtet, die unter anderem Ausschüsse zu militärischen Fragen, Politik, Verwaltung, Sicherheit und Überwachung umfassten, lassen sich die Ambitionen al-Qaidas ermessen. Der Militärausschuss verfügte über Unterabteilungen, die sich mit Ausbildung, Operationen, Forschung und Nuklearwaffen beschäftigten.
Nach dem Fehlschlag von Dschalalabad verstrickten sich die Mudschahidin in einen verheerenden Bürgerkrieg. Die stärksten Fraktionen in diesem Bruderkrieg wurden angeführt von Gulbuddin Hekmatjar und Ahmed Schah Massud. Beide waren skrupellose, charismatische Führer aus dem Norden und entschlossen, in Afghanistan eine islamische Regierung zu errichten. Hekmatjar, der über mehr politisches Talent verfügt, war Paschtune und gehörte damit zu dem
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