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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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anämischen Vegetarier in der Stadt herum wie ein Jungbulle auf der Kuhweide.«
    »Sie sind gut organisiert.« Laurenti stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
    »Vermutlich eine größere Gruppe.« Orlando hieb mit seiner Riesenpranke so heftig auf den Schreibtisch, daß die Stifte und das Telefon einen Sprung taten und mit einem lauten Klack auf die Platte zurückfielen. »Eine ruhige Stadt? Warum muß hier immer alles besonders skurril sein? Kannst du dir das erklären?«
    Laurenti schüttelte den Kopf. »Raffiniert sind sie. Damit es schnell geht, verwenden sie nur noch das Logo und diese paar Wörter. Sie haben so schnell eine Marke geschaffen, daß manches Unternehmen neidisch wäre. Ich mache jede Wette, das nächste Mal sehen wir nur noch die Kuh.«
    Orlando schnaufte tief und verdrehte die Augen.
    »Wie sind sie an die Schiffe herangekommen?« fragte Laurenti. »Für einen Schwimmer sind die Aufschriften zu hoch angebracht. Und wenn ein Motorboot nachts durch den Hafen fährt, bekommt ihr das doch mit.«
    »Das ist es eben.« Orlandos Stimme klang resigniert. »Wir haben einen Anruf von einem Ruderclub erhalten, daß eines ihrer schönen Mahagoniboote mit Lack verschmiert ist. Wir haben es beschlagnahmt und untersucht. Nicht ein einziger Fingerabdruck ist darauf zu finden, nicht einmal an den Rudern. Aber die Lackspuren sind eindeutig.«
    Auf einmal beschlich Laurenti eine fürchterliche Ahnung, doch versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen. Marco hatte sich im letzten Jahr bei den Cannottieri Adria eingeschrieben und war dem neuen Sport begeistert nachgegangen, bis in der Gastronomie die Hochsaison begann. Hatte er wirklich einem Freund geholfen, mitten in der Nacht ein Auto zu lackieren?
    »Schau, es zieht vielleicht ein Gewitter auf. Der Wind hat nach Westen gedreht. Maestrale. Über Monfalcone stehen schwarze Wolken.« Orlando war ans Fenster getreten, als wollte er instinktiv der Wand mit den Fotos den Rücken zukehren. »Es wäre kein Schaden, wenn es endlich regnete. Dann beruhigen sich auch die Gemüter wieder.«
    »Gibt es etwas Neues von diesen Leuten mit dem Schlauchboot?«
    Orlando drehte sich blitzartig um und legte die Stirn in tiefe Falten. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst die Finger davon lassen. Da wirken höhere Mächte.«
    »Sie wirken schlecht.«
    Orlando zog eine Liste aus den Papieren auf seinem Schreibtisch. »Ich weiß nur, wann sie da waren. Mehr nicht. Zuletzt gestern morgen. Willst du dir unnötigen Ärger einhandeln?«
    »Es ist nur Neugier«, sagte Laurenti.
    »Neugier ist manchmal sehr ungesund.«
    *
    Vor der Gepäckaufbewahrung im Bahnhof standen zwei Polizisten, als Galvano den Abschnitt vorlegte. Es dauerte einen Augenblick, bis der Verwalter des Lagers mit einem kleinen Aktenkoffer zurückkam und ihn dem alten Mann übergab, den er mit großen Augen anstarrte.
    »Stimmt etwas nicht?« fragte Galvano.
    Der Mann schüttelte nur den Kopf und glotzte. Dann schob er ihm Stift und Papier hinüber.
    »Willst du ein Autogramm? Fürs Gaffen gibt es kein Trinkgeld, merk dir das.«
    »Stichprobenumfrage. Bitte mit Namen und Adresse.«
    »Wofür?«
    »Ich habe meine Anweisungen.«
    Galvano reichte es. »Vai a farti fottere«. Er schnappte sich den Koffer und ging an den beiden Polizisten vorbei hinaus, stieg in seinen Wagen und fuhr davon. Er hatte noch verdammt viel zu erledigen, bevor die Übersetzerin am Nachmittag zurückkäme. An einer Ampel versuchte er erfolglos, den Koffer zu öffnen. Er müßte es zu Hause mit Hammer und Zange probieren.
    Doktor Galvano parkte den Wagen vor einem mehrstöckigen Gebäude in der Via Locchi, dessen ornamentlose Fassade grau vom Schmutz der Jahre war und dringend eine Renovierung nötig gehabt hätte. Es war die Adresse, die Irina genannt hatte. Galvano blieb im Auto sitzen und beobachtete Hauseingang und Umgebung. Ein paar Meter weiter unten war eine kleine Bar, dahinter ein Zeitungskiosk. Andere Geschäfte gab es nur in den Seitenstraßen. Selten fuhren Autos vorbei und im Laufe einer halben Stunde war kein einziger Fußgänger zu sehen. Es war heiß, der Wagen stand in der prallen Hitze und der schwarze Hund auf dem Beifahrersitz hechelte mit heraushängender Zunge nach Luft.
    »Du paßt auf den Koffer auf«, sagte Galvano zu seinem Gefährten. »Ich bin gleich zurück.«
    Er ging hundert Meter in die falsche Richtung, überquerte dann die Straße und kam eng an den Hausmauern entlangschreitend zurück. Mit dem Schlüssel, den Irina ihm

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