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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Beamten bereits enger als die Häftlinge in den überfüllten Zellen im Coroneo.
    Pina wurde unsicher, als Laurenti weiter unhöflich schwieg.
    »Entschuldigen Sie bitte, Ihre Assistentin sagte, ich möge hier warten.« Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus.
    »Was haben Sie für Hobbys?« fragte Laurenti schließlich, um irgend etwas zu sagen.
    »Radfahren.« Die Zwergin stand stramm. Laurenti rätselte, wie die Füße des Mädchens die Pedale erreichen sollten. »Radfahren und Free climbing.« Daher also der Bizeps. »Und jede Form von asiatischem Kampfsport. Ich trainiere täglich.« Wie sollten diese kurzen Beine beim Kickboxing je das Kinn eines Gegners treffen?
    »Und sonst?«
    Die Neue dachte einen Moment nach. »Ich zeichne Comics und schreibe Theaterstücke.«
    Laurenti schüttelte unmerklich den Kopf. Wollte diese Miniaturausgabe einer Polizistin ihn verarschen? Was hatte er sich denn da eingefangen? Natürlich hatte er keinen Einfluß auf die Personalpläne des Ministeriums, aber ein bißchen Glück hätte ihm doch zugestanden, nachdem er Sgubin so viele Jahre ertragen hatte. Eine zu heiß gewaschene Kampfsportlerin, der das Adrenalin zu den Ohren heraustropfte und die auch noch Theaterstücke verfaßte! Eine Comicfigur.
    »Erfahrungen?« fragte Laurenti.
    Pina hob die Augenbrauen und schwieg. Sie schien ihn nicht zu begreifen.
    »Ihr Lebenslauf.«
    »Squadra mobile in Ferrara, ein Jahr und sieben Monate, Diebstahlsdezernat. Zuvor drei Jahre Gaeta und davor San Gimignano, Toskana. Zwei Jahre. Langweiliger als der Tod.« Laurenti mußte für eine Sekunde grinsen. »Zuvor Caserta, Streife. Und davor die Polizeischule in Lecce. Vorher Abitur. Jahrgangsbeste. Geboren am 31. Mai 1976 in Africo, Kalabrien, an der Costa dei Gelsomini. Vater Polizist, Mutter Apothekerin.«
    Der Geburtsort verhieß nichts Gutes. Von dort stammte einer der meistgesuchten Bosse des organisierten Verbrechens, nach dem seit zwölf Jahren gesucht wurde. »Kennen Sie Giuseppe Morabito?«
    »Natürlich!« Es schien, als flackerte Stolz im Blick der Neuen auf. »Wie könnte ich ihn nicht kennen. In einer Gemeinde von dreitausend Einwohnern kennt man jeden.« Dann besann sie sich, daß ihr Lokalpatriotismus vielleicht unpassend war. »Ich meine, als ich klein war, bin ich ihm einmal flüchtig begegnet. Später nicht mehr. Ich bin ja auch schon lange weg.«
    Wie groß Popeya wohl gewesen sein mochte, als sie »klein« war, wie sie gesagt hatte? »Was haben Sie gedacht, als Ihre Versetzung nach Triest kam?«
    »Wenn ich ehrlich sein soll, war ich nicht begeistert. Svevos ›Senilità‹ war Abiturthema und hat mich nicht sonderlich beeindruckt. ›Glücklich sind jene, die der Liebe entsagen können.‹ Das ist meiner Ansicht nach ein Schmarren. Kitsch.«
    »Deswegen die Tätowierung ›Basta Amore‹?« Laurenti deutete auf ihren Bizeps. »Sie sollten ihre persönlichen Erfahrungen nicht auf die Lektüre übertragen.«
    Pina errötete. »Wenigstens liegt Triest am Meer. Und was ich bisher gesehen habe, ist so schlecht nicht. Man gewöhnt sich an alles.«
    Laurenti paßte es nicht, daß diese Type auch noch aus dem Gedächtnis zitieren konnte. Eine Gabe, über die er selbst nur spärlich verfügte. Wie sie sich über Svevo ausließ, würde Laurenti ihr schon noch heimzahlen. »Warum sind Sie Bulle geworden, wenn Sie ein so ausgezeichnetes Abitur hingelegt haben?«
    »Angeborener Gerechtigkeitssinn. Mein Vater ist Polizist. Und mein Großvater war Carabiniere. Ich hatte eigentlich nie eine andere Idee.«
    Laurenti dachte, daß Vater und Großvater der Kleinen sicher nicht sehr gut miteinander ausgekommen waren.
    »Wer einmal ohnmächtig den Verstrickungen ausgesetzt war, die sich, wie bei uns im Süden, durch alle Gesellschaftsschichten ziehen und den gesamten Alltag bestimmen«, sagte die selbstbewußte Pina nun wie eine altgediente Oberlehrerin, »hat nur zwei Möglichkeiten: Entweder sich zu arrangieren oder versuchen, sie zu unterhöhlen und aufzulösen.«
    Laurenti wußte allzugut, wovon die junge Frau sprach. Und er kannte viel zu viele, die diesen Enthusiasmus rasch verloren hatten und sich inzwischen nach dem Wind drehten. »Wir werden noch genug Zeit haben, uns über diese Dinge zu unterhalten. Sie überschneiden sich um einige Zeit mit Ihrem Vorgänger. Für heute nachmittag setzen sie sich zu meiner Assistentin ins Vorzimmer. Lesen Sie diese beiden Akten unvoreingenommen. Sie werden zugleich viel über Triest erfahren, das

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