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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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überhaupt noch trauten, bei diesem Anblick ihr Büro zu verlassen. Janet Jackson wäre vor Neid erblaßt. Bevor Marietta den neuen Verehrer hatte, waren ihr solche Geschmacksverirrungen nicht unterlaufen. Was Männer alles anrichten können.
    »Wie oft wurdest du auf der Straße angesprochen?« fragte Laurenti. »Hast du keinen Spiegel zu Hause?«
    »Ich habe mich erkundigt, wo diese Bande letzte Nacht zugeschlagen hat. Diese Tierschützer sorgen für ziemlichen Wind. Aber künstlerisch sind sie nicht unbegabt. Das wäre etwas für die Galerie deiner Freunde.«
    »Was ist passiert?« Laurenti hatte bisher keinen Blick in die Protokolle geworfen. Es war Mariettas Angelegenheit, ihn darüber zu informieren, was in den letzten Stunden passiert war.
    »Das Graffiti vor dem Rathaus hat einen Durchmesser von mindestens zehn Metern. Mich wundert, daß du es nicht gesehen hast.«
    »Ich sah den Bürgermeister draußen herumspazieren. Da ist mir die Lust vergangen.«
    »Den Sporthafen haben sie sich auch vorgenommen. Bisher liegen schon über dreißig Meldungen von Yachteignern vor. Die Küstenwache wird lange brauchen, all die Anzeigen aufzunehmen. Außerdem müssen sie jetzt auch die anderen Boote kontrollieren. Es sind Tausende. Du solltest dir das selbst ansehen.«
    Laurenti klappte die Akte Perusini zu und stand auf. »Ich wollte ohnehin zu Orlando. Du weißt, wie du mich findest. Und sperr hinter mir die Tür ab, daß der Staatsanwalt sich nicht auf dich stürzt, wenn er zufällig vorbeikommt. Ich bin um vierzehn Uhr zurück. Bestell mir diesen Calisto ein. Er soll sich hüten, zu spät zu kommen.«
    *
    Galvano ging die Rive entlang Richtung Bahnhof, wo die Streifenbeamten ihn letzte Nacht gezwungen hatten, seinen Wagen stehenzulassen, bevor sie ihn nach Hause brachten. Als er an der Capitaneria vorbeiging, lief ihm ausgerechnet Laurenti über den Weg.
    »Geht es Ihnen gut?« fragte Laurenti.
    »Seit gestern abend machst du Anspielungen, die ich nicht verstehe. Was willst du von mir? Ich bin unverändert der, den du seit einem Vierteljahrhundert kennst.«
    »Das ist schlimm genug. Haben Sie Besuch?«
    »Selbst wenn, ginge dich das einen feuchten Dreck an.«
    »Es heißt, Sie hätten sich eine junge Frau zur Geliebten genommen. Eine Taubstumme, die Ihnen nicht widersprechen kann und die Sie glücklicherweise auch nicht versteht. Wenn Sie einen Trauzeugen suchen, dann denken Sie bitte an mich.«
    »Was geht hier vor? Werde ich etwa überwacht?«
    »Zufall, Galvano. Sie wissen doch, daß in dieser Stadt nichts verborgen bleibt. Passen Sie auf sich auf.«
    »Ich brauche kein Kindermädchen. Hau ab, Laurenti.«
    Laurenti klingelte an der Pforte der Guardia Costiera. Er wollte Galvano noch einmal nachwinken, doch der Alte stapfte mit wütendem Schritt davon und zog den Hund, der einiges an den Mauerecken zu schnüffeln gehabt hätte, an der Leine hinter sich her.
    »Was macht die Versetzung? Hast du mit dem Arzt geredet, wegen des Attests für deine Frau?« fragte Laurenti.
    Orlando schüttelte den Kopf und hob die Augenbrauen. »Noch nicht. Man kommt hier zu nichts. Ich glaube, es ist besser nach Bari zu gehen, als sich mit diesen Albernheiten herumzuschlagen.«
    Die Wand war mit Fotos vollgepflastert. Laurenti trat einen Schritt näher, um sie zu betrachten. »Ist es deswegen?« Er stand vor einer Fotografie der Piazza Unità, vom Dach des Rathauses aufgenommen. Er sah die weißen Helme einiger Stadtpolizisten und die Glatze des aufgeplusterten Bürgermeisters, um den er in der Frühe einen Bogen geschlagen hatte. Sie standen um eine riesige Pflastermalerei aus wasserfester Ölfarbe herum, die wohl nicht mehr zu entfernen war. Wieder die Kuh mit Sonnenbrille, Kalaschnikow und den Sternen der Europäischen Union, die um ihre Hörner kreisten wie ein Heiligenschein. Aber diesmal bunt. Darunter stand lediglich: »Kollaborateure, ihr wißt Bescheid. Wir auch. Mucca Pazza.«
    »Die schon wieder«, seufzte Laurenti. »Zum dritten Mal. Ich mache eine Wette, daß der Piccolo morgen von ›Ökoterroristen‹ schreibt.«
    »Kindische Idioten. Als würde man damit etwas verändern. Wenigstens haben sie den Auschwitz-Vergleich weggelassen. Aber schau hier.« Orlando deutete auf die anderen Fotos. »Es werden ständig mehr Anzeigen. Meine Leute kommen nicht mehr nach. Im Moment sind es schon sechsundvierzig, und es ist noch nicht einmal Mittag. Nachdem die Schmierereien der Neofaschisten endlich zurückgingen, spritzen jetzt diese

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