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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Stato, Guardia di Finanza, Corpo Forestale, Penitenziaria, Carabinieri, Vigili urbani, Guardia Costiera. Und natürlich die Feuerwehr. Alles knapp, sachlich und freundlich vorgetragen.«
    Er machte eine kleine Pause, als wollte er Marietta eine Chance geben, zu widersprechen, doch die hatte längst begriffen, daß es besser war, die Klappe zu halten.
    »Außerdem will ich umgehend die Personalakte dieser Pina della ’Ndrangheta in der Hand haben.«
    Marietta furchte die Stirn, sie verstand nur Bahnhof.
    »Bring mir die Personalakte von der Neuen. Und wo ist überhaupt Sgubin?«
    Marietta folgte der Anweisung ziemlich geräuschvoll, doch kam sie bereits nach ein paar Momenten zurück und legte ihm wortlos die Unterlagen von Pina Caldareto auf den Tisch. Sie hatte sie mühelos in dem Stapel der unbearbeiteten Post gefunden, der sich seit Tagen auf ihrem Schreibtisch türmte. Eigentlich wollte sie zuerst ihre Neugier befriedigen, doch dann hatte sie es vergessen. Der Neuen warf sie einen gehässigen Blick zu, als sie sich wieder setzte, zum Telefon griff und ihren Verehrer darüber verständigte, daß sie heute erst später an den Strand kommen könne und morgen früher aufstehen mußte. Sgubin hatte es gut, dachte sie, er konnte bald in seiner neuen Stellung anfangen und hatte Laurentis Launen damit hinter sich.
    »Calisto wartet draußen«, rief Marietta muffig in Laurentis Büro hinein.
    »Laß ihn warten. Wenn er abhaut, gibt’s Ärger. Sag ihm das.«
    *
    Schwer bepackt mit Tragetaschen und Koffer trat Galvano schließlich aus einem zweiten Kleidergeschäft, wo er Röcke und Hosen für Irina erstanden hatte, und kaufte in einem Zeitungsladen noch eine kiloschwere Modezeitschrift, die er dem schwarzen Hund ins Maul steckte. Mit stolz erhobenem Kopf trottete sein schwarzer Freund neben ihm her, als wüßte er, daß ihm alle nachschauten. Selbst Galvano war es plötzlich zu warm. Er beschloß, vor der nahen Bar Unità einen Aperitif zu trinken, bevor er nach Hause ging. Er hatte noch eine halbe Stunde Zeit, bis die Übersetzerin kam, und Irina würde sich vielleicht langweilen, aber sicher nicht davonlaufen. Er stellte die Tüten auf einen Stuhl, nahm dem schwarzen Gesellen die Zeitschrift ab und tätschelte ihm den Kopf. Dann setzte auch er sich und bestellte einen Negroni. Der Alkohol entspannte ihn rasch, die Mentholzigarette, die er ansteckte, genoß er in langen Zügen. Dann bestellte er gleich noch einen Drink. Allmählich erholte er sich und schaute dabei den Touristinnen nach, die vorbeischlenderten. Triestiner sah er kaum. Bei der Hitze blieben sie entweder in den klimatisierten Büros oder brieten längst irgendwo an einem Strand. Auf einmal verfinsterte sich sein Blick. Zwei Taubstumme gingen von Tisch zu Tisch und legten die üblichen Kärtchen und Gegenstände aus, um sie kurz darauf wieder einzusammeln. Die beiden hatten ihr System rationalisiert. Einer verteilte, der andere sammelte ein, blieb aber länger als Irina und ihre Kolleginnen an den Tischen stehen, wo er renitent auf die Kärtchen zeigte und die Hand ausstreckte. Bei Frauen war er besonders unnachgiebig. Irina, mit dem schüchternen Blick, den sie nie lange auf einer Person ruhen ließ, hatte vermutlich mehr Erfolg. Dies war ihr Bezirk in Triest gewesen. Man hatte sie also schnell ersetzt. Aber waren das nicht die beiden Typen, denen er im Treppenhaus in der Via Locchi begegnet war? Der erste hatte ihn nicht bemerkt, doch der zweite, der Galvano mit ausgestreckter Hand massiv bedrängte, sein Kleingeld rauszurücken, ließ so plötzlich von ihm ab, als hätte auch er ihn wiedererkannt. Hektisch sammelte der Kerl das Zeug auf den Tischen ein und ging rasch dem anderen hinterher.
    Galvano sah, wie sie sich auf dem Sockel des Denkmals für Karl VI. niederließen und sich aufgeregt unterhielten. Der Begründer des Freihafens mußte, mit Perücke, Mantel und Zepter ausstaffiert, seit fast drei Jahrhunderten unbeweglich auf einem ionischen Kapitell ausharren und mit der linken Hand immerzu auf den Hafen weisen. Die Stufen des Sockels waren vor allem nachts ein beliebter Platz für jene, die sich einen Drink in der Bar holten und sich etwas abseits vom Gedränge niederließen.
    Die ganze Zeit starrten die beiden Typen auffällig unauffällig zu ihm herüber. Galvano tat so, als bemerkte er es nicht, doch plötzlich entdeckte er etwas, was die beiden selbst noch nicht gesehen hatten: Auch sie wurden beobachtet. Zwei Glatzköpfe standen unter den

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