Der Tod wirft lange Schatten
Leute waren zuerst da«, sagte Canovella. »Aber du weißt ja, wie das bei Waffen ist. Da interessiert sich auch das Verteidigungsministerium dafür. Ich schlage vor, wir schauen uns die Sache zusammen an und beraten, wie wir die Aufgabe aufteilen.«
»Von mir aus kannst du den Kram gerne ganz übernehmen.« Laurenti hob beide Hände. »Ich reiße mich nicht darum.«
»So war das auch wieder nicht gemeint«, sagte Canovella und führte ihn in die Halle. »Das Zeug ist alt. Zweiter Weltkrieg und danach.« Er wischte den Staub von einer Blechkiste, ein Hakenkreuz wurde sichtbar. »Es ist auch ein Polizeiauto der Alliierten darunter. Aus der Zeit des Territorio Libero di Trieste.«
Es war ein langer Nachmittag geworden. Laurenti war es gelungen, Mia vor der Presse zu schützen. Keiner der anwesenden Journalisten hatte bemerkt, daß die Besitzerin der Lagerhalle unter der Obhut seines Assistenten im klimatisierten Wagen saß. Sgubin konnte mit der schweigsamen jungen Dame nicht viel anfangen, außer ihr Zigaretten anzubieten. Wenigstens blieb ihm erspart, wie seine Kollegen draußen in der Gluthitze des Frühsommers zu vergehen. Er war mit den Gedanken sowieso woanders. Seine hoffentlich baldige Versetzung, das zu planende Abschiedsfest, mit dem er richtig zeigen wollte, daß er es zu etwas gebracht hatte – und außerdem fluchte er darüber, daß sein Chef wieder einmal einen Volltreffer gelandet hatte, als er befahl, die junge Frau auf der Autobahnabfahrt aufzulesen. Wie schaffte er das nur? Warum immer Laurenti, der nie einen Hehl daraus machte, daß er einen guten Riecher hatte? Sgubin atmete auf bei dem Gedanken, daß er ihn bald los war. In seiner neuen Position würde er endlich den Spieß umdrehen.
Nachdem man die Lagerhalle versiegelt und die Carabinieri eine Streife davor abgestellt hatten, stieg auch Laurenti wieder ins Auto. Er war schweißgebadet und befahl Sgubin, die Klimaanlage abzustellen. Dann teilte er Mia mit, daß sie ein paar Fragen in der Questura beantworten müßte. Doch zuvor sollte sie ihre Dokumente holen.
»Und wer fährt meinen Wagen?« fragte Mia und deutete auf den Cinquecento, der von unzähligen Dienstwagen eingekeilt war.
Laurenti lächelte, als er den Floh sah. Am liebsten hätte er ihn selbst gefahren. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ihn jemand von uns fährt?« fragte Laurenti.
Mia antwortete mit einem Kopfschütteln, es war ihr gleichgültig.
»Sgubin, du fährst hinter uns her«, sagte Laurenti und bat seinen Assistenten, den Platz hinter dem Steuer des Alfa Romeo gegen den im Cinquecento zu tauschen. Sgubin verbiß sich einen Kommentar, doch er kochte vor verletztem Stolz. Immerhin wurde er bald Leiter des Streifendienstes in Gorizia. Warum hatte Laurenti nicht einen der Anfänger, die draußen herumstanden, in die Mühle gesetzt? Und dann fuhr Laurenti auch noch so langsam, und Sgubin saß so tief in dieser Antiquität, daß er kaum über den Kofferraumdeckel des Alfa Romeo vor ihm hinaussah. In Servola parkte er den Floh, stieg aber erst zu seinem Chef in den Dienstwagen, als Mia wieder aus dem Haus kam. Sie hatte sich umgezogen und die dunkelblonden Haare hochgesteckt. Wie ein Lipizzaner bei der Dressur, dachte Sgubin, und setzte sich nach hinten, wo das Haarbüschel bei jeder Unebenheit der Straße vor seiner Nase tanzte.
Die Befragung war harmlos. Laurenti und Canovella führten sie gemeinsam. Zweimal schickte Laurenti seine Sekretärin in die Bar um die Ecke, um Drinks zu besorgen. Und schließlich entspannte auch Mia sich und erzählte ihre Geschichte. Auf ihre Frage, wie es mit der Lagerhalle weitergehen würde, antworteten Canovella und Laurenti ausweichend. Sie wußten es selbst nicht, versprachen aber, ihr gerne zu helfen, falls sie mit der Bürokratie nicht zurechtkäme.
»Laß uns noch ein Glas trinken, bei Walter in der ›Malabar‹«, hatte Laurenti vorgeschlagen, nachdem Mia gegangen war. Canovella warf einen flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr. Auf ihn wartete niemand mit dem Abendessen und auch Laurenti hatte keine Eile, sich zu rasch den häuslichen Grilldüften zu nähern.
»Wir hätten auch die junge Dame zum Aperitif einladen können«, sagte Canovella.
»Gefällt sie dir?«
»Hoffen wir, daß sie von ihren Eltern bald etwas über das Lager erfährt«, sagte Canovella. »Kennst du eigentlich diesen Calisto?«
»Wir nennen ihn L’Orecchione, das Riesenohr, weil er versucht, alles was er aufschnappt, zu Geld zu machen. Eigentlich ist er ein
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