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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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können wir uns doch gar nicht beklagen.«
    »Egal was hier passiert«, Scoglio ließ sich nicht beirren, »es hat fast immer mit der Vergangenheit zu tun, oder mit den Klischees, die sie erzeugt hat. Mit der Geschichte, besser gesagt mit dem verschlampten Teil der Geschichte.«
    Laurentis Vermutung, daß das nur die Ouvertüre war, wurde sogleich bestätigt.
    »Ich bin auf eine sonderbare Angelegenheit gestoßen, über die ich mit Ihnen sprechen möchte«, sagte Scoglio. »Man kann sie nicht in zwei Worten erzählen. Ich hoffe, Sie haben Zeit.«
    Laurenti lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    »Bei der Telefonüberwachung der üblichen Verdächtigen aus der rechtsradikalen Szene wurde eine eigenartige Nachricht aufgezeichnet, die mir zu denken gibt. Und wenn sie sich als wahr herausstellt, ist es Anlaß genug, sich Sorgen zu machen. Erinnern Sie sich an den Fall Perusini?«
    Laurenti schaute ihn mit großen Augen an. Das war eine Sache, die so weit zurücklag, daß ihm nur der Name etwas sagte. Er war damals noch ein junger Beamter und erst seit ein paar Jahren in der Stadt. Und Staatsanwalt Scoglio hatte wohl gerade erst das Abitur bestanden oder Militärdienst geleistet.
    »Erinnern ist zuviel gesagt.« Laurenti schüttelte den Kopf. »Wie lange ist das her?«
    »Sechsundzwanzig Jahre. Er wurde am 14. Juni 1977 gefunden und war damals mindestens schon vierzig Stunden tot. Die Täter wurden nie ermittelt.«
    »Ich kenne nicht einmal seine Akte «, sagte Laurenti. »Das war Angelegenheit meines Vorgängers. Es heißt, er habe sich viel Arbeit damit gemacht. Aber wie zum Teufel kommen Sie auf diese Sache?«
    Scoglio zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, wieviel Arbeit er sich gemacht hat, denn die Akte ist spurlos aus dem Gerichtsarchiv verschwunden. Normalerweise wird dort die kleinste Dokumentenbewegung akkurat festgehalten. Noch immer handschriftlich, wie vor hundert Jahren. Sie ist einfach weg, ohne daß jemand davon weiß. Sie ist auch nicht versehentlich an einem falschen Platz eingeordnet worden. Ich habe das ganze Archiv auf den Kopf stellen lassen, auch wenn es dem armen Archivar und seinen Gehilfen nicht gefallen hat. Nichts. Und nach den Aufbewahrungsfristen kann auch in der Questura kein Duplikat mehr vorhanden sein.«
    »Wie kommen Sie auf diese Sache?« fragte Laurenti noch einmal.
    »Habe ich das nicht gesagt? Die meisten Dinge hier sind mit der Vergangenheit verstrickt. Einer der Neofaschisten sprach am Telefon davon, daß er Dokumente gegen Geld tauschen sollte, aber die Übergabe ein bißchen anders erledigen wollte, als man ihm gesagt habe. Er wollte beides selbst einsacken und auch seinen Auftraggeber linken. Die Dokumente, sagte er, beträfen den Tod des Diego de Henriquez.«
    Laurenti schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Um Gottes willen, noch so eine alte Angelegenheit. Mir reicht schon die Lagerhalle der Australierin.«
    »Eben«, sagte Scoglio. »Henriquez wurde drei Jahre vor Perusini ermordet. Am 2. Mai 1974 verbrannte er in seiner Lagerhalle in der Via San Maurizio. Die Ermittlung lag bei den Carabinieri. Er wurde ziemlich schnell und ohne Obduktion beerdigt. Druck von oben, heißt es, ohne daß irgend jemand zu erklären bereit ist, wer dahintersteckt. Erst ein halbes Jahr später hatte man ihn aus dem Grab geholt, als schon nichts mehr festzustellen war. Auf jeden Fall bescheinigte elf Jahre später der damals zuständige Carabinieri-Offizier, daß es sich um keinen Unfall gehandelt hatte. Also bleiben Mord oder Selbstmord. Bei dem Charakter schließe ich aber einen Suizid kategorisch aus. In der Akte de Henriquez findet sich auch ein Hinweis, daß Perusini aus dem Weg geräumt wurde, weil er Nachforschungen über den Tod des ersteren betrieben habe. Aber seine Unterlagen waren verschwunden. Wie jetzt.«
    »Über de Henriquez wird spekuliert, daß er die Namen der Denunzianten und Kollaborateure der Nazis gekannt haben soll und ausgeschaltet wurde, bevor er sie als Zeuge im Prozeß über die Risiera di San Sabba nennen konnte. Oberhauser, der Kommandant, wurde damals zu lebenslänglich verurteilt, durfte aber unbehelligt bis zu seinem Tod in München als Brauhaus-Wirt weiterarbeiten.«
    Scoglio nickte. »Man weiß aber nichts Genaues. Nur, und jetzt komme ich wieder zur Gegenwart, in dem aufgezeichneten Anruf heißt es wörtlich, daß jetzt endlich Schluß sei mit der Erpressung durch diesen ›Drecksslawen‹. Das ist nicht mein Ausdruck! Ferner müsse er sich auf einiges

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