Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
für Rinderwahn, stand ein kunstvoll gezeichnetes Rindvieh auf den Hinterbeinen, das eine Sonnenbrille trug. Es hielt eine Kalaschnikow, und die Sterne der europäischen Union kreisten um seine Hörner. Marco würde sich über diese Aktion diebisch freuen, dachte Laurenti.
    »Ferner ein Einbruch in der Buchhandlung in der Via del Coroneo«, fuhr Marietta fort und gähnte gelangweilt. Trotz ihres braungebrannten Teints hatte sie dunkle Schatten um die Augen. »Das Verbrechen bildet sich.« Sie klinkte sich mit ihrem Computer ins Zulassungsregister ein. Es dauerte einen Augenblick.
    »Du machst Witze.«
    »Vierundfünfzig Bände der Reihe ›Meridiani‹. Manzoni, Lampedusa, Petrarca, Dante, Svevo, Saba. Wonach das Herz begehrt. Und tausend Euro aus der Kasse.«
    Es war eine der beiden Buchhandlungen in der Stadt, in denen Proteo Laurenti Stammkunde war. Natürlich gab es Einbrüche auch in Buchhandlungen. Aber noch nie in seinem Berufsleben hatte er gehört, daß das Motiv der Diebstahl einer Klassiker-Reihe auf Dünndruckpapier war, von der auch im Hause Laurenti einige Bände standen. Sonst war schon alles abhanden gekommen: Damenstrümpfe, Computer, Bargeld, lausiger Prosecco. Aber Bücher!
    »Hat keiner was gesehen?« fragte Laurenti. »Da fahren doch ständig Streifenwagen vorbei. Soviele dieser Bände auf einmal! Zusammen wiegen die über einen Doppelzentner.«
    »Ich beschränke mich auf Taschenbücher. Die Klassiker hat man mir in der Schule verdorben.«
    »Ich dachte, du würdest dich seit neuestem nur noch mit Zeitschriften über Brautmode beschäftigen. Hast du endlich den Halter des Wagens gefunden?«
    Marietta reagierte nicht auf seine Stichelei. »Auch ›Il Mucchio‹ hat wieder zugeschlagen!« Sie starrte auf den Bildschirm und gab ein paar Befehle ein.
    »Wo?«
    »Ein Kindergarten in Guardiella. Ein alter Fernseher, ein paar Äpfel, ansonsten die üblichen Verwüstungen. Sie haben abgewartet, bis sich die Aufregung ein bißchen gelegt hat, und sich dann gleich wieder ans Werk gemacht.«
    »Der wievielte Fall ist das?«
    »Jetzt sind sie bei Nummer 25.«
    »Dann werden die auch hinter der verrückten Kuh stecken«, sagte Laurenti gleichgültig.
    »Das glaube ich nicht.« Zum ersten Mal an diesem Morgen schaute Marietta ihm in die Augen. »›Il Mucchio‹ ist auf Zerstörung aus, Gewalt, Randale. ›Mucca Pazza‹ ist ein Weltverbesserer, ein Grüner oder ein Tierschützer. Vermutlich ein frustrierter Einzelgänger.«
    »Wer bearbeitet das?«
    »Die Squadra mobile natürlich.«
    »Richte ihnen einen schönen Gruß aus. Laurenti wünscht viel Vergnügen.«
    »Das tu ich besser nicht. Sie stehen schon genug unter Beschuß. Die Bürger rufen an und wollen wissen, wann es in unseren Straßen wieder sicher sei. Man könne ja das Auto nicht mehr draußen stehenlassen, weil sonst die Scheibenwischer abgebrochen würden. Und anderer Schwachsinn dieser Art. Rentner natürlich.«
    »Laß sie maulen.« Laurenti kümmerte es nicht.
    Seit dem letzten Dezember kamen ständig diese Meldungen herein. »Il Mucchio«, wie die Bande genannt wurde, verwüstete vorwiegend Schulen. Inzwischen hatte man sie auch für Vandalismus auf verschiedenen Friedhöfen verantwortlich gemacht. Die Tageszeitung hatte den Kommentar eines Kriminologen veröffentlicht, den in der Stadt niemand kannte. Er stützte sich vor allem auf die Beobachtung, daß die Bande pädagogische Einrichtungen vom Kinderhort bis zum Gymnasium vom Stadtrand bis ins Zentrum im Visier hatte. Gestohlen wurde technisches Gerät und Geld, das die Schüler am Schuljahresende für wohltätige Zwecke sammelten. Der Spezialist spekulierte, daß es sich um Schüler handelte, die Probleme hatten, welche ihre Lehrer nicht in den Griff bekamen, und sich deshalb rächten. Er begründete dies damit, daß die Zerstörungswut der Täter frei von moralischen Skrupeln und ohne Respekt gegenüber den Lehranstalten sei. Laurenti hatte sich heftig über diese Analyse aufgeregt und vermutet, daß der Spezialist kinderlos war.
    »Die Kollegen sollen sich Mühe geben.« Proteo Laurenti ließen solche Delikte kalt. Sie fielen Gott sei Dank in den Zuständigkeitsbereich untergeordneter Dienststellen. Er selbst hatte in diesem Frühjahr mit einer Reihe von Villen-Einbrüchen in Oberitalien zu tun gehabt, die mit cooler Professionalität durchgeführt worden waren und die dank der Zusammenarbeit mit den Kollegen im Veneto und in der Lombardei aufgeklärt werden konnten. Der einzige

Weitere Kostenlose Bücher