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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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gewesen. »Strategie der Spannung« hieß die Taktik des Terrors, die aus den USA gesteuert wurde. Man versuchte, die Taten der Linken in die Schuhe zu schieben, um die Bevölkerung ins rechte Lager zu treiben. Morde und Bombenanschläge, wie 1980 der auf den Bahnhof von Bologna, vierundachtzig Tote und mehrere hundert Verletzte, gingen auf das Konto der Neofaschisten, von denen bis heute niemand verurteilt worden war. Dazu kam der echte Terror der Linksextremen, die Anschläge der Roten Brigaden sowie die Entführung und Ermordung Aldo Moros, die einigen seiner konservativen Parteigänger mehr als willkommen gewesen war. Und fast überall hatten die Geheimdienste die Finger drin. Unwahrscheinlich, daß je alles ans Licht kommen würde. Immer noch hatten mächtige Gruppen ein Interesse daran, die Dinge unter Verschluß zu halten. Das Land lebte besser im Versuch, diese Vergangenheit zu verdrängen. Doch wie viele Mythen und sinnlose Spekulationen entstanden daraus? Und wenn es nach Walter ging, zählte dazu auch der rätselhafte Tod des Waffensammlers Diego de Henriquez, der am 2. Mai 1974, als der Mann 68 Jahre alt war, auf schreckliche Weise ums Leben kam.
    »Ich habe es dir schon mal erzählt, Proteo«, sagte Walter. »Ich hab ein Grundstück oberhalb der Stadt, mit jungen Olivenbäumen. Jeder von ihnen bekommt ein Schild mit den Namen der Personen, die für die Stadt wichtig waren und die in meinem Leben eine Rolle spielten. Diego de H. bekommt eines, und wenn du so weitermachst, wird auch ein Baum nach dir heißen. Proteo L. Nur Vorname und Initial des Nachnamens. Bei dir ist das besonders wichtig, weil sonst alle denken, daß ich die Oliven dem Grottenolm gewidmet habe.« Walter lachte, Canovella ebenfalls, Proteo Laurenti fand es weniger lustig und verzog sein Gesicht zu einem gequälten Grinsen. Zu viele hatten ihre Scherze über die Namensgleichheit mit dem farblosen, blinden Tierchen gemacht, dessen Spezie seit Hunderttausenden von Jahren die unterirdischen Wasserläufe des Karsts bevölkerte. Er selbst kannte es nur von Fotografien, obwohl ihn einmal ein Freund zu einer Exkursion in die riesige Grotte von Trebicciano eingeladen hatte, die nur für Forscher zugänglich war. Nach einstündigem Abstieg über wacklige Eisenleitern waren sie zwar auf den unterirdischen Wasserlauf des Timavo gestoßen, doch das einzige, was sie gesehen hatten, war eine verirrte Forelle gewesen.
    *
    Laurenti starrte auf die Akte, die ungeöffnet auf seinem Schreibtisch lag, seit von der Präfektur der Befehl zur Beschlagnahmung des Lagers gekommen war, bis dessen Wert und die Eigentumsverhältnisse geklärt wären. Die Überwachung lag in den Händen der Carabinieri und der Polizia di Stato gemeinsam. So konnte der zusätzliche Aufwand mit dem vorhandenen Personal bewältigt werden. Canovella und Laurenti hatten den jeweiligen Leitern des Streifendienstes die Verantwortung zur Zusammenarbeit übertragen, und nun häufte sich jeden Morgen ein neues Blatt auf die anderen, auf dem lediglich stand, daß über die letzten vierundzwanzig Stunden keine besonderen Vorkommnisse zu melden waren. Dafür prangte ein dicker Stempel darunter, dessen Volumen um vieles größer war als die Notiz.
    »Sie wissen selbst gut genug, daß Triest eine eigenartige Stadt ist. Besonders wir, die irgendwann einmal hierher verschlagen wurden, sehen das jeden Tag von neuem.«
    Laurenti schrak auf. Marietta hatte zwar angekündigt, daß der Staatsanwalt vorbeikommen wollte, doch er hatte ihn nicht kommen hören. Zu sehr war er in Gedanken bei den Geschehnissen des Morgens und der letzten Tage. Das verstaubte Waffenlager, die schweren Kisten auf dem Schlauchboot: Ob da vielleicht ein Zusammenhang bestand?
    Scoglio setzte sich ihm gegenüber. »Manchmal wundere ich mich doch noch«, sagte er.
    Der Mann, der knapp zehn Jahre jünger als Laurenti war, hatte in den letzten Wochen noch mehr abgenommen. Er sah aus wie ein Skelett. Die Überlastung der vergangenen Jahre hatte sich tief in seine Physiognomie eingraviert. Es hieß, daß Scoglio manchmal tagelang nicht sein Büro verließ und sogar öfter dort übernachtete. Laurenti hatte es nie überprüft, dabei hätte ein Anruf bei den Kollegen vom Personenschutz genügt.
    »So schlimm ist es auch wieder nicht«, sagte Laurenti. »Die versteckten Neurosen Triests sind mir lieber als die offensichtlichen von Palermo, Neapel oder Mailand. Dort hätten Sie eine doppelt so starke Eskorte nötig, Staatsanwalt. Im Prinzip

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