Der Tod wirft lange Schatten
Abschieds mit Sgubin schon in einer stürmischen Umarmung all das nachholen, was du ihm vorher ausgeschlagen hast.«
»Irgendwann zahl ich dir alles zurück, das garantiere ich dir.« Marietta war wütend. »Du hast einen beschissenen Charakter.«
»Die Liebe macht dich nervös. Normalerweise heitert sie das Gemüt auf, aber bei dir ist immer alles anders. Jetzt ruf Sgubin, damit ich ihm die freudige Mitteilung machen kann. Und dann finde bitte alles über diesen römischen Zahnarzt heraus. Alles! Bis hin zur Steuererklärung und welche Unterhosen er trägt.« Laurenti ließ das Blatt mit den Zulassungsdaten des Fahrzeugs, mit dem die vier Männer am Morgen an die Marina di Aurisina gefahren waren, auf ihren Tisch segeln. »Das eilt. Und dann verbinde mich bitte mit Ettore Orlando.«
Bevor sie antworten konnte, war er schon in seinem Büro verschwunden. Er suchte die Telefonnummer des Chefs der Squadra mobile heraus. Er mußte gleich mit ihm sprechen, bevor die Anzeige gegen seine Tochter Livia wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses weitergegeben wurde – an die Presse oder an die Staatsanwaltschaft. Und dann wollte er endlich wissen, was die Geschichte mit dem Schlauchboot und diesen eigenartigen Typen auf sich hatte.
*
Vor knapp zwei Wochen war Sgubin aufgeregt in sein Büro gestürzt gekommen und hatte von einem Großalarm wegen eines immensen Waffenlagers im Industriegebiet gestammelt. Mit eingeschalteter Sirene hatten sie sich den Weg über die Superstrada zum Industriegebiet gebahnt. Als Sgubin den Wagen die Ausfahrt zur Via Caboto hinabsteuerte, kam ihnen eine junge Frau zu Fuß am Rand der vierspurigen Straße entgegen. Sie sah seltsam aus. Schwarze Gummistiefel an den Füßen, knappe Shorts und ein weißes Hemdchen, das ihre üppigen Formen äußerst betonte.
»Was hat die hier zu suchen?« rief Laurenti. »Halt an.«
»Wahrscheinlich wieder eine Verrückte. Davon haben wir in dieser Stadt wirklich mehr als genug.« Sgubin brachte den Wagen nur einen Meter vor ihr zum Stehen. Laurenti stieg aus.
»Wollen Sie sich umbringen? Sie dürfen hier nicht gehen. Steigen Sie ein.« Als die junge Frau nicht antwortete, fragte Laurenti sie nach ihrem Ausweis.
Mia sprach so leise, daß Laurenti Mühe hatte, sie zu verstehen. »Zu Hause. Das habe ich ihren Kollegen schon gesagt. Ich will nach Hause.«
»Welchen Kollegen?«
»Da unten.«
»Wie heißen Sie?« fragte er.
»Das Lager gehört mir«, sagte Mia mit abwesendem Blick.
Laurenti ahnte, daß es keinen Sinn machte, jetzt auf Details zu bestehen. »Kommen Sie bitte mit.« Er hielt ihr die Autotür auf.
Mia zögerte. Warum konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen? Was blieb ihr anderes übrig, als diesem Mann zu gehorchen, der sich neben sie auf den Rücksitz setzte, als müßte sie bewacht werden?
»Stell das Ding ab«, knurrte Laurenti, als Sgubin losfuhr und die Sirene wieder einschaltete. »Wir sind fast da. Der Lärm ist unnötig.« Dann wandte er sich an seine Nachbarin: »Warum sind Sie weggelaufen?«
»Zu viele Menschen«, sagte Mia trocken und schaute ihm endlich in die Augen. »Plötzlich waren so viele Menschen da. Ich will nach Hause. Man braucht mich dort nicht. Und vor allem will ich keine Presse. Können Sie sich bitte darum kümmern? Keine Presse. Und kein Fernsehen.«
»Geben Sie mir ihre Telefonnummer. Ich werde Ihre Familie verständigen, damit Sie jemand abholt. Oder brauchen Sie einen Arzt?«
Mia schüttelte den Kopf. »Ich bin alleine. Meine Familie lebt nicht hier.«
»Vollversammlung. Sogar die Carabinieri sind da«, sagte Sgubin, als er bei den anderen Einsatzfahrzeugen hielt.
Laurenti stieg aus. »Warten Sie im Wagen«, sagte er zu Mia. »Mein Kollege bleibt bei Ihnen. Ich bin gleich zurück.«
Als der Kameramann und die Fotografen ihn erkannten, eilten sie auf ihn zu. Laurenti stürmte ihnen mit großen Schritten entgegen. Er wollte nicht, daß die junge Dame, die sie aufgelesen hatten, in Panik geriet. »Bedaure, kein Kommentar«, sagte er und ging an den Journalisten vorbei. Vor der Lagerhalle war Gott sei Dank ein Plastikband gespannt, das ihm die Leute vom Leib hielt.
»Es ist nicht zu fassen.« Luciano Canovella, der Carabiniere-Colonnello, der kurz vor ihm eingetroffen war, begrüßte ihn mit Handschlag. »So etwas hast du mit Sicherheit noch nie gesehen. Waffen, als wollte man Triest besetzen!«
Laurenti blinzelte in die dämmrige Halle hinein und erkannte schemenhafte Umrisse schweren Geräts.
»Deine
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