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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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gefaßt machen, wenn er über die Grenze käme, da könnten ihm auch seine Bodyguards nicht helfen. Dann wäre die Sache ein für allemal vorbei und Fausto und Giustina könnten endlich beruhigt sein.«
    »Wer?« Laurenti runzelte die Stirn. Die Namen sagten ihm nichts.
    »Zwei der vielen Personen, die ungeschoren davongekommen waren. Beide sind heute Mitte Achtzig.«
    Scoglio erklärte in knappen Worten, daß Fausto und Giustina während der Nazibesatzung als eifrige Denunzianten berüchtigt gewesen waren. Seit damals waren sie Eigentümer mächtiger Paläste im Stadtzentrum, am Corso Italia, der Via Genova und auf der Piazza della Borsa, deren frühere Eigentümer aus der Risiera nicht mehr zurückgekommen waren. Entweder in dem Triestiner Vernichtungslager ermordet oder nach Auschwitz deportiert worden.
    »Was mich bestürzt«, sagte Scoglio, »ist, daß diese beiden Personen vermutlich aus Slowenien oder Kroatien erpreßt werden, während die Morde an de Henriquez und Perusini eher den Faschisten nachgesagt wurden. Zwei Fragen ergeben sich daraus: Erstens, welche Zusammenhänge gibt es zwischen dem ehemaligen Jugoslawien und den Neofaschisten, zweitens, wer ließ die Akte Perusini verschwinden?«
    »Und eine dritte«, fügte Laurenti an. »Warum sprach mein Vorgänger nicht von diesen Dingen?«
    »Eben deshalb bin ich zu Ihnen gekommen. Solche Ermittlungen können nur Menschen führen, die einen eigenen Kopf haben.«
    Laurenti verdrehte die Augen. Warum landeten solche Sachen immer bei ihm? Natürlich beherrschte er sein Handwerk, und nie hatte er sich davor gescheut, auch unbequeme Angelegenheiten zu bearbeiten. Aber war dies der Lohn dafür? Er atmete tief durch. Der Staatsanwalt war drauf und dran, ihm den Sommer zu vermasseln.
    »Und was erwarten Sie?« fragte Laurenti.
    »Daß Sie Licht in das Dunkel bringen«, sagte Scoglio und erhob sich. »Ich bin jederzeit für Sie zu sprechen.«
    *
    Laurenti machte sich ein paar Notizen und schimpfte leise vor sich hin. Er mochte den Staatsanwalt und arbeitete auch gerne mit ihm zusammen. Aber mußte es ausgerechnet diese alte Sache sein, die bisher so ruhig unter dem Staub der Zeit geruht hatte? Aufgeklärt oder nicht.
    Sgubin trat ein, als Marietta gerade Ettore Orlando durchstellte. Er gab Sgubin mit einem Blick zu verstehen, daß er sich setzen sollte, während er seinen Freund am Telefon begrüßte und gleich den Hörer ein Stück vom Ohr entfernte, als dessen mächtige Stimme antwortete. Immer alles auf einmal.
    »Du bist der erste, der anruft! Wer hat es dir gesagt?« fragte Orlando. »Ich weiß selbst nicht, was ich davon halten soll. Also, sag schon. Gratulierst du mir oder beschimpfst du mich?«
    »Wozu?« Laurenti hatte keine Ahnung, wovon der Chef der Guardia Costiera redete. In der Zeitung hatte auf jeden Fall nichts gestanden, was ihn betraf.
    »Auf der einen Seite war ich jetzt fünf Jahre in Triest. Und es gibt noch andere schöne Plätze auf der Welt.« Orlando redete einfach weiter und Laurenti stellte sich vor, wie der Mann in seinem weißen Uniformhemd, das überall spannte, in dem riesigen Schreibtischsessel klemmte, den er wegen seiner Übergröße selbst finanziert hatte. Intelligent, blitzschnell in seinen Entscheidungen, dazu zwei Meter groß und inzwischen über drei Zentner schwer: das war Ettore Orlando. »Vom Meer her gesehen ist jede Stadt schön. Aber hier ging’s mir besser als anderswo. Auf der anderen Seite steht die Karriere. Sag endlich, was du davon hältst.«
    Allmählich vermochte Laurenti zu entschlüsseln, was diese Stimme, die jedem Containerschiff als Nebelhorn ausgereicht hätte, ihm mitzuteilen versuchte. Er war alarmiert wie der Kapitän eines Tankers, der aus plötzlich aufklarendem Nebel auf ein Riff zusteuerte.
    »Ist das dein Ernst?« fragte Laurenti aufgeregt.
    »Was denkst denn du? Also, was hältst du davon?«
    »Wann, wohin und weshalb?«
    »Ich dachte, du wüßtest es schon und wolltest mir gratulieren. So ein Sternchen mehr an der Uniform ist doch schick! Bari allerdings ist hart. Der Befehl erreichte mich gestern abend. Was soll ich machen? Wenn meine Frau krank wäre und ein Attest vorlegen könnte, ließe sich vielleicht noch etwas dagegen machen. Kennst du nicht einen vertrauenswürdigen Arzt, der bereit wäre, meine Frau aus medizinischen Gründen an Triest zu fesseln?«
    Ettore Orlando sollte also seinen Stuhl in Triest räumen und ein richtig hohes Tier bei der Marine werden. Chef der Capitaneria in Bari.

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