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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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ich aus, als wäre ich gerade aus einem Kloster in Ávila weggelaufen. Der Marqués hatte eine sehr katholische Mutter mit einer spitzen Zunge, die immer zu ihm sagte, er solle nicht mit verkommenen Frauen mit Flittchengesicht herummachen, aber er hörte nicht auf sie und machte mit verkommenen Frauen mit Mädchengesicht herum. Wir gingen in das beste Zimmer, obwohl ich ihm hundertmal sagte, ich würde nicht mit Freiern schlafen – was auch stimmte – und er hundertmal erwiderte, er würde mir die Einkünfte eines ganzen Monats zahlen, was er auch tatsächlich tat. Ich schlug ihm ein paar Sachen vor, die er noch nicht kannte, obwohl er aus einer großen Familie aus fruchtbaren Mönchen und lüsternen vornehmen Herren stammte.
    Er war begeistert.
    Die untergehende Sonne war so lange Jahre meine Begleiterin, dass ich manchmal das Gefühl habe, die Zeit sei unwirklich, sie sei nicht vergangen. Es fällt mir schwer, mich zu erinnern – und manchmal auch zu begreifen –, wie der Marqués sich nach der anfänglichen Begeisterung in mich verlieben konnte, obwohl es so viele Jungfrauen gab, so viele friedliche Muschis und so viele hingebungsvolle Mütter, die zu allen Schandtaten bereit waren. Ich weiß sehr wohl, dass die Faszination des Bettes, die Entdeckung der Frau des Lebens, nicht von langer Dauer ist, doch im Falle des Marqués währte sie ein ganzes Leben.
    Gut, sein Leben war kurz.
    Mein Gott, die Sonne fällt jetzt mit einer solchen Kraft ein, dass sie bis tief in meinen Kopf vordringt und einen Schwindel erzeugt, von dem ich mich nicht befreien kann, nur weil Mabel nie die Vorhänge vorzieht oder das Fenster ein wenig öffnet, damit die Hitze entweichen kann. Mabel sollte wissen, wie weh das tut.
    Mabel hat unter vielen Männern geschwitzt.
    Aber alles fing mit dem Marqués de Solange an, ohne den Marqués wäre das alles nicht geschehen. Ich wusste lediglich, dass er viel Geld hatte, dass seine Mutter bald sterben würde (nicht ohne vorher – vergeblich – zu versuchen, ihr Vermögen einem Stiftsherrn zu vermachen) und dass er selbst nicht im Geruch der Heiligkeit sterben wollte, ohne je einen Harem besessen zu haben. Deshalb hat er, obwohl er mich stets vorgezogen hat, jedes meiner Mädchen ausprobiert, alle, die ich hatte, und eine, die nicht zu mir gehörte: Mabel.
    Mabel kam von der Straße, blond, zerbrechlich, arm, sie hatte die üppigen Rundungen einer wollüstigen Frau, einen reinen Blick, und sie war erst fünfzehn Jahre alt. Mabel.
    Ich hatte mich schon oft als Kupplerin betätigt – das war schließlich mein Geschäft –, aber ich war keine Kupplerin, die suchte, sondern eine, die empfing. Die Mädchen selbst läuteten vom Hunger getrieben an meiner Tür. Ich zeigte ihnen das Etablissement, sprach mit ihnen über die Preise, gab ihnen ein wenig Nachhilfe in Sachen Eleganz (darauf verstehe ich mich, jedenfalls tat ich das damals), und dann weihte ich sie in das Metier ein, nicht mit einem x-beliebigen, sondern mit einem Freier meines Vertrauens.
    Eine Minderjährige hätte ich niemals akzeptiert. Nie. Mehr noch, zu meiner Zeit waren die Gesetze härter als heutzutage, heute kann ein Mädchen mit achtzehn auf den Strich gehen, damals erst mit dreiundzwanzig, obwohl man schon mit einundzwanzig volljährig war. Erst mit dreiundzwanzig, das wusste ich. Natürlich wusste ich auch, dass es immer sechzigjährige Männer auf fünfzehnjährigen Mädchen geben würde, solange Geld winkt. Aber damit hatte ich nichts zu tun.
    Na ja, einmal eben doch.
    Der Marqués hatte Mabel oft auf der Straße gesehen, er wusste, dass sie arm wie eine Kirchenmaus war, und bat mich, ein letztes Mal als Kupplerin tätig zu werden, ein letztes Mal, ein allerletztes Mal. Er sagte, ein letztes Mal, dabei wusste ich, dass es im Grunde das erste Mal war. »Es kann doch nicht so schwer sein, ein Mädchen aus dem Viertel zu überreden. Komm Ruth, tu es, bitte, bitte, bitte …«
    Und ich tat es.
    Und von da an scheint die Zeit stillzustehen, und doch ist sie vergangen.
    Und hier ist Mabel.
    Schön, Ruth, hier sehen wir also Mabel, die Frau, die dich pflegt und deine einzige Verbindung zu dieser Welt ist. Mabel war groß, sie hatte ausladende Hüften, die jetzt nicht mehr in Mode sind, weil die großen Gurus der Welt, die Diätspezialisten, diese Hüften in Verruf gebracht haben. Das muss man sich mal vorstellen – sagte mal eine gebildete Hure –, dreitausend Jahre Malerei und Bildhauerei, und jetzt das: die Entdeckung der

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