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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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die Sache vergessen. Wenn Sie ihn hingegen überwachen, könnte jemand mit ihm in Kontakt treten, ich meine, ein anderer Verdächtiger. Es sind viele Jahre vergangen, aber die alten Leute erinnern sich, dass sie damals zu zweit waren. Und der damalige Komplize von Omedes könnte den Drecksack ebenso gut ins Jenseits befördert haben. Ich sehe ja ein, dass ein Ermittler wie Sie, noch dazu Verkoster regionaler Liköre, da nicht voreilig sein will.«
    Méndez bestätigte das nicht, erhob aber auch keine Einwände. Dafür machte er eine ausladende Geste mit dem Arm, als wolle er zu früher Morgenstunde die gesamte Theke einbeziehen.
    »Ich würde so gern mehr über Miralles wissen«, seufzte er.
    »Ich habe Ihnen schon alles gesagt, Sie können die Leute fragen, die seit Jahren hier im Viertel leben. Miralles’ Frau hat ihn und seinen Sohn verlassen, als der starb, war er ganz alleine. Er ist verrückt darüber geworden. Ich werde versuchen, es Ihnen zu erklären, Méndez. Die Leute, die Miralles’ Frau gekannt haben, glauben, dass sie an der Trennung schuld ist, denn Miralles war ein guter Kerl. Aber eines schönen Tages hat sie zu ihm gesagt: ›Hier hast du dein Kind. Ich bin es leid. Ab sofort geht jeder seiner Wege, mach’s gut.«
    »Wenn Miralles so ein guter Kerl war, warum hat seine Frau ihn dann verlassen?«
    »Was weiß ich … Das ist so lange her, dass sich nur noch die Alten daran erinnern, aber in den Kneipen wird viel geredet. Ich kann mir vorstellen, dass Miralles nicht viel verdient hat und ihr das Viertel zu eng war. Sie war hübsch, hatte Spaß am Geld. Eine Nachbarin sagt, sie habe einen anderen Mann gefunden. Das muss wohl stimmen, denn sie hat ihren Sohn einfach zurückgelassen wie ein Paket und ist mit einem anderen Kerl abgehauen. Später munkelte man, sie lebe in so einem Protzbunker, in dem nur noch der Hausdiener fehlt, und außerdem hat man sie in einer Luxuskarosse gesehen. Aber ich glaube, Miralles hat sich damit abgefunden.«
    »Und warum?«
    »Kaum zu glauben, dass ein gestandener Polizist wie Sie so etwas fragt, Méndez, Sie haben doch so viele Ehen gesehen, die am Geld zerbrochen sind. Ich bin nur ein armer Schlucker mit einer Kneipe (ein armer Schlucker, den man vorzeitig in Rente geschickt hat), aber ich habe viele leere Wohnungen ansehen müssen, viele offene Fenster und Wände mit den Spuren der Bilder, die da mal hingen. So ist das Leben, Méndez, da ist nichts zu machen. Die Frauen kommen und gehen. Wenn sie Luxus wollte und der arme Miralles ihr nicht mehr bieten konnte als einen tollen Schwanz (sofern er den überhaupt hatte), was sollte er da machen? Die Frau wäre sowieso früher oder später abgehauen. Und er hatte wenigstens das Kind, das, was er am meisten liebte auf der Welt.«
    Méndez sagte mir rauer Stimme:
    »Wenn die Leute wüssten, wie viele Begräbnisse es in Hochzeitsnächten gibt …«
    Er ließ sich ein weiteres Glas von dem ökologischen Likör einschenken.
    Ihm war sein eigenes Begräbnis egal.
    »Und dann bringt jemand auch noch seinen Sohn um«, murmelte er.
    »Deshalb sage ich ja, dass er verrückt wurde. Sie werden im Viertel Leute finden, mit denen er über die einsamen Abende gesprochen hat, an denen er mit verlorenem Blick auf einer Bank saß. Er arbeitete bei einer Versicherungsgesellschaft, und dann hat er angefangen, die Dinge durcheinanderzubringen. Ich verstehe das, verdammt. Wenn man sich in solch einer Situation befindet, und dann kommen Leute und wollen eine Lebensversicherung, und man verpasst ihnen eine Sterbeversicherung.«
    »Hat man ihn hinausgeworfen?«, fragte Méndez, der immer jedes noch so kleine Bruchstückchen einer Geschichte hinterfragte.
    »Wie man mir erzählt hat, hatte die Firma eine Weile Geduld, aber eines Tages wartete Miralles mit einer Überraschung auf. Da geht der hin und bewirbt sich auf eine Stelle als bewaffneter Wachmann für Banken. Sie dürfen nicht vergessen, damals, Ende der Siebziger, ging es in den Banken in diesem Land zu wie beim Tontaubenschießen. Viele stellten Sicherheitsleute mit scharfen Waffen ein. Miralles war wohl ein verdammt guter Schütze, aber bei der psychologischen Untersuchung muss einer gepennt haben. Sie hätten nie einen Mann zur Bewachung von Banken einstellen dürfen, dessen Sohn bei einem Banküberfall getötet wurde. Bei dem sitzt der Finger locker am Abzug, der kleinste Anlass und er schießt.«
    »Aber man hat ihn eingestellt.«
    »Das ist Jahre her, Méndez: Man hat ihn eingestellt.

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