Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Ihr Vater.«
»Der Ihr Geld nicht annehmen wollte …«
Erasmus tat so, als habe er diese Bemerkung nicht gehört. Vielleicht hatte er sie auch tatsächlich nicht gehört, denn er war ein Mann des Monologs.
»Aber so ganz nebenbei werde ich Ihnen etwas sagen. Wenn Sie reden, wird Ihnen das nichts nützen, denn was auch passiert, ich war’s nicht. Merken Sie sich das gut: Ich war’s nicht. Und wenn Sie Ihrer moralischen Pflicht nicht nachkommen, kann Ihnen das schaden. Sehen Sie, ich bin jetzt ein Mann, der viele Geschäfte macht, und eben wegen dieser Geschäfte bin ich nach Spanien zurückgekommen. Die sind wichtiger, als Sie denken, und ich muss mich um sie kümmern. Ich werde Sie eine Zeit lang nicht aus den Augen lassen. Jede noch so kleine Störung oder Unregelmäßigkeit werde ich registrieren. Aber ich sage das mit dem größten Respekt, Anwalt. Ich mag Anwälte sehr.«
Und plötzlich fragte er übergangslos:
»Wie hoch ist Ihr Honorar?«
Escolano wurde rot. Er hatte gewusst, dass die Frage kommen würde, dennoch schoss ihm das Blut ins Gesicht. Beinahe wäre er aufgestanden.
Seine Karriere. Seine Ehre. Sein Name. Seine Selbstachtung.
Die Robe.
Erasmus bemerkte es und fügte schnell hinzu:
»Ich finde, Diplome sind dazu da, um von ihnen zu leben, nicht um sie einzurahmen. Und das sagt Ihnen ein Mann, der keinen Universitätsabschluss braucht, um zu leben. Wenn Sie sich gedemütigt fühlen, denken Sie daran, dass das Demütigendste der Beitrag für die Anwaltskammer ist.«
Escolano schloss die Augen.
Der andere wusste also Bescheid. Erasmus gehörte zu den Kerlen, die überall hinkamen und alles wussten. Es hatte schon seinen Grund gehabt, dass sein Vater, der wenigstens weise gestorben war, ihm diesen Namen gegeben hatte.
Er drängte ihn:
»Nennen Sie schon eine Zahl. Kommen Sie mir nicht mit Gebührenordnung, ist sowieso alles Schwarzgeld. Wie bei dem Mädchen.«
In dem Moment klingelte das Telefon. Es war die Rezeption.
Als er aufgelegt hatte, sah er Escolano an.
Der hatte die Augen immer noch geschlossen.
Er nannte die Zahl.
»Das ist viel«, entfuhr es Erasmus.
Bedächtig erhob sich Escolano aus dem Sessel und ballte die Fäuste, er blickte Erasmus direkt in die Augen.
»Also ich …«
»Was? Werden Sie die Anwaltskammer einschalten? Lassen Sie uns die Sache schnell über die Bühne bringen. Ich geben Ihnen das Geld, das für das Mädchen gedacht war, und noch zehn Prozent obendrauf. Jammern Sie nicht. Sie liefern mir die Berichte, und ich gebe Ihnen das Geld. Hier ist es. Alles legal. Sie unterzeichnen mir natürlich eine Quittung, das zwingt Sie, die Sache für sich zu behalten.«
Escolano stammelte:
»Glauben Sie an das Gesetz?«
Erasmus sah ihn mit einem abwesenden Lächeln an.
»Und Sie?«, fragte er leise.
15
Natürlich konnte Méndez, der Polizist kurz vor der Pensionierung, immer dunkel gekleidet und immer mit Büchern in den Taschen, nichts von alledem wissen, obwohl er sich wirklich auf den Fall konzentrierte. So konzentriert, wie Méndez eben sein konnte. Aber einige andere Dinge wusste er inzwischen und versuchte sie im Kopf noch einmal durchzugehen, während er durch die Straßen des alten Viertels schlenderte.
Zunächst einmal hatte die Autopsie bestätig, dass Omedes erst kurz vor der Abschiedsfeier liquidiert worden war. Und das konnte nur bedeuten, dass zwischen Omedes und der Person, die ihn getötet hatte, ein gewisses Vertrauensverhältnis bestanden hatte. Sein Mörder musste zumindest gewusst haben, wo er verkehrt hatte. Es war schon lange her, dass Omedes dort Gast gewesen war. Auch für Miralles, an dessen Täterschaft es keinen Zweifel gab, musste es bekanntes Terrain gewesen sein.
Dass es sich um das ehemalige Etablissement einer gewissen Madame Ruth handelte, wusste Méndez inzwischen. Man musste ihr Haus überwachen, falls es zwischen Madame Ruth und dem Toten irgendeine Verbindung gab.
Méndez war sich auch sicher, dass Miralles nicht seine Dienstwaffe verwendet hatte. Ein Mann, der als Leibwächter arbeitete, konnte einfach nicht so dumm sein. Und die Polizei ihrerseits war nicht so dumm, ihn ohne Beweise zu verhaften. Es war besser zu warten, bis er einen Fehler machte, schließlich wollte er noch einen weiteren Mann töten. Oder der andere wollte Miralles töten.
Wer aber war dieser andere?
Auch das hatte Méndez nach Durchsicht der Prozessakten schnell in Erfahrung gebracht. Der Bankräuber, der den Kleinen getötet hatte, hieß Leónidas
Weitere Kostenlose Bücher