Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
alles eingesteckt. Ich gebe jetzt keine Annonce mehr auf, weil es zu teuer ist.«
Also ein totaler Reinfall, dachte Méndez. So würden sie Leónidas nie auf die Spur kommen. Er wollte sich gerade höflich verabschieden, als sie zu Amores, der offensichtlich eine der großen Leidenschaften ihres Lebens gewesen war, sagte:
»Die Gilda hat sich auch selbstständig gemacht, sie war es leid, immer nur die Hälfte abzubekommen. Sie hat Kassensturz gemacht und sich für das Kunsthandwerk entschieden, was letzten Endes eine Form des Arbeiterkampfes ist. Sie arbeitet wie ich, zu bestimmten Zeiten, und manchmal haben wir uns verabredet und uns zu zweit mit jemandem getroffen. Aber ich weiß nicht, was in der letzten Zeit mit ihr los ist.«
»Was mit ihr los ist?«
»Ich habe sie schon zweimal angerufen, aber sie geht nicht ran. Und dabei haben wir beide zusammen ordentlich Geld verdient.«
Méndez war überzeugt, dass das auch nirgendwo hinführte, aber er fragte trotzdem:
»Wo wohnt sie?«
»Was geht Sie das an? Ich gebe Adressen nur an Freunde weiter, obwohl … Nun ja, Señor Amores ist ein Freund und kennt Sie. Schreiben Sie, aber schwören Sie mir, dass Sie ihr keinen Strick daraus drehen, Sie sind schließlich Bulle.«
Sie sah Méndez an. Der zögerte.
»Woran merkt man das?«
»Sie ernähren sich schlecht und sehen schlecht gelaunt aus.«
»Ich verspreche Ihnen, ich will ihr nur helfen. Ich werde sie besuchen, und wenn sie mich spontan zum Essen einlädt, umso besser.«
Und so machten sich Méndez und sein Assistent, der unermüdliche, vom Glück verfolgte Journalist, auf zu der angegebenen Adresse.
Wieder ein Portier.
Und Luxus.
Wieder ein Eingangsbereich mit Blumen, nur dass es diesmal kein Aquarium gab. Nur eine Katze.
»Señorita Gilda geht schon seit Längerem nicht mehr aus«, sagte der Portier, als er Méndez Polizeimarke sah. »Sie scheint sich schlecht zu fühlen, aber allzu schlimm kann es nicht sein, denn sie bekommt Essen aus dem Restaurant und bringt jeden Abend den Müll runter. Vielleicht lebt jetzt jemand bei ihr.«
Ein leichtes Blitzen in Méndez’ Augen. Schön, vielleicht hatten sie am Ende doch nicht ihre Zeit vergeudet.
Sie gingen hinauf.
Klingelten. Stille.
Erneutes Klingeln. Erneut Stille.
Méndez benutzte seinen Dietrich. Die Universität der Straße hatte ihn so viel gelehrt, dass er sich als Schlosser hätte verdingen können. Loles wurde nicht müde, ihm vorzuhalten, dass das besser für das Vaterland und auch besser für ihn selbst gewesen wäre. Beim zweiten Versuch öffnete sich die Tür mit einem Quietschen. Und dann wieder Stille. Méndez und Amores traten ein, eine klare Gesetzesübertretung.
Ein Luxusappartement. Aber es roch muffig. Schmutzige Wäsche mit allen möglichen Körperflüssigkeiten. Ein wenig geronnenes Blut. Teller mit Essensresten.
Geleitet vom Geruch begab sich Méndez direkt in eines der Zimmer.
Von dort rief er Amores zu:
»Das hätte ich mir eigentlich denken können. Verdammte Scheiße, Mist.«
Er hatte nicht ganz Unrecht. Mit Amores an seiner Seite lief man immer Gefahr, einen Toten zu finden.
Das Mädchen war hübsch. Oder hübsch gewesen. Sie war gut gekleidet und trug hochhackige Schuhe, die Schuhe einer Edelhure, einer jungen Dame, die zu den Empfängen des Bürgermeisters geht, einer gut situierten Dame, die bei einer Spendenaktion gegen den Krebs ihren großen Auftritt hat. Doch die Schuhe kamen nicht zur Geltung, denn einer war vom Fuß gefallen. Das Kleid kam nicht zur Geltung, obwohl es von guter Qualität war, denn es war zerrissen und stank. Ihr Gesicht kam nicht zur Geltung, denn ihre Haut war grün und blau, die Augen waren tot, und ihr Mund war geknebelt.
Man hatte sie sehr fachmännisch ans Bett gefesselt. Nicht einmal ein Athlet hätte sich aus dieser Lage befreien können.
Amores fiel auf die Knie. Er stammelte:
»Mein Gott … Sie ist mindestens zwei Tage tot.«
Jeder andere hätte dasselbe gedacht, aber Méndez war stutzig geworden. Seine Augen durchbohrten die Luft. Er stellte fest, dass die Frau nach brutalen Schlägen körperlich schwer angeschlagen und verletzt war, aber der Zug um ihren Mund war nicht der einer Toten. Er hätte schwören können, dass da ein leichtes Beben war, ein flüchtiger schwacher Luftstoß. Außerdem roch es nicht nach Tod, sondern nach einer Frau, die alles unter sich hatte gehen lassen. Als Méndez leicht ihre Finger berührte, stellte er fest, dass noch ein Hauch Wärme in dem
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