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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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sollten Sie auch nicht vergessen, vor allem wenn man bedenkt, dass der Markt sich ständig erweitert und ständig nach neuen Dienstleistungen verlangt. Und dafür zahlt! Sogar die Moral der Massen, die einige die revolutionäre Moral nennen, ist nichts als Lug und Trug. Die Massen sterben für nichts.«
    Escolano rutschte auf dem Stuhl hin und her, als wollte er sich jeden Moment erheben.
    »Die Massen interessieren mich nicht«, brummte er. »Außerdem ist dieser Círculo Ecuestre kein Ort, wo die Massen agieren.«
    »Deshalb können wir sie hier so wunderbar analysieren, mein Freund. Auf der Straße analysiert keiner was. Und wenn ich mir zu reden erlaube, dann weil es mir missfällt, eine vergeudete Intelligenz zu sehen, vergeudet von ihrem Besitzer, also von Ihnen. Ich sagte, die Massen sterben für nichts, obwohl ihr Tod zugegebenermaßen Teil dieser ästhetischen Vision ist, die die Geschichte manchmal entwickelt. Nehmen sie die Tausende und Abertausende, die in Barcelona bei der Verteidigung der republikanischen Ideale gestorben sind. Was haben sie erreicht? Eine Monarchie. Nach vierzig Jahren Diktatur immerhin ein großer Triumph. Aber diese Monarchie, mit ihrem großen Gemeinschaftssinn, will den Leuten nicht einmal helfen, ihre Toten zu suchen. So konnten die Massen zumindest einen zweiten Sieg erringen, mit den sogenannten Linksregierungen. Aber, mein Freund, die erste Linksregierung hat auch schnell begriffen, dass es einen Markt gibt – der selbstverständlich einflussreicher ist als sie selbst – und das heilige Gesetz des gesicherten Arbeitsplatzes gebrochen, damit dieser Markt erhalten bleibt. Die zweite Linksregierung, eine Sklavin der Multikonzerne, macht Entlassungen salonfähig. Und jetzt sagen Sie mir, was zum Teufel die Toten dabei gewonnen haben. Die Einzigen, die Recht behalten, sind die Realisten, Leute wie ich. Aber ich kann nicht ausmachen, welche individuellen Freiheiten die Massen errungen haben. Individuelle Freiheit? Fehlanzeige.«
    Escolano sah ihn verständnislos an.
    »Nein, nein, jetzt sehen Sie mich nicht so an. Denken Sie mal darüber nach, was Sie verloren haben. Gut, Sie haben auch etwas gewonnen, zum Beispiel die gleichgeschlechtliche Ehe, aber ich glaube nicht, dass Sie nach der Trennung von Ihrer Frau einen Mann heiraten wollen. Sie haben das Recht zu rauchen verloren. Verdammt, sogar das Recht zu rauchen. Sie haben das Recht verloren, mit einer Prostituierten auf der Straße zu sprechen, auch wenn Sie ihr nur sagen wollen, wie viel Uhr es ist. Ganz zu schweigen von der armen Hure, immerhin eine Tochter des befreiten Volkes, die sich per Morsezeichen mit den Freiern verständigen muss. Als friedfertiger Bürger müssen Sie eine Reihe von Beschränkungen in Kauf nehmen, die Ihnen nicht einmal die Diktatur auferlegt hat. Die wahren Diktatoren sind die Bürokraten, das sage ich Ihnen, aber gegen die werden keine Revolutionen gemacht. Im Gegenteil, manchmal ernten sie sogar Applaus, und selbstverständlich werden sie bezahlt.«
    Erasmus stand auf und packte sorgfältig die Kopie des Vertrages ein. Er lächelte Escolano zu.
    »Danke, dass Sie mich in diesem Tempel des Kapitalismus empfangen haben und noch dazu kein Honorar verlangen.«
    »Sie sind der größte Zyniker, den ich kenne, Erasmus.«
    »Das hat Ihr Vater auch gesagt und auch kein Geld verlangt, was für ein Zufall. Was war er doch für ein guter Mensch.«
    Erasmus ging fort. Er wirkte selbstsicherer denn je.
    Und Escolano lief ein Schauer über den Rücken, diese Konsultation war alles andere als zufällig gewesen. Hinter dem schönen Fenster zur Diagonal hinaus war irgendetwas im Busch. Das Grau des Abends war eine Todesfarbe. Er wusste nicht warum, aber es war eine Todesfarbe.

29
    Der distinguierte Werbemanager (ein Spezialist nicht nur für die Durchführung von Wahlkampagnen, sondern auch für ihre Finanzierung) hasste alle Farben, die ihn an den Tod erinnerten. Der Tod, so glaubte er, war nicht nur im Schwarz der Trauer, sondern im Grau der aufkommenden Dunkelheit und des erwachenden Morgens. In seinem Büro hatte einmal ein Bild von Modest Urgell gehangen. Es war sehr wertvoll gewesen, und genau aus diesem Grund hatte er es verkauft. Und verdammt, wer gibt schon eine Kampagne für den Präsidentschaftswahlkampf in Auftrag, wenn er einen Friedhof vor sich hat. Die Linke, die hatte früher mal so einen Tick, Wahlkampagnen mit Plakaten zu machen, auf denen Kreuze oder krepierende Arbeiter im Hintergrund zu sehen

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