Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
nur so groß wie eine Pille, genügte auf diese kurze Distanz, die nicht für Kugeln, sondern für Zungen berechnet war. Ein kleines rotes Loch zeichnete sich genau in der Mitte der Stirn des Mannes ab, der im Bad gewartet hatte. Er fiel wie ein Sack Zement, ohne auch nur zu zucken, in die Duschwanne.
Miralles dachte nur an zwei Dinge, zwei Dinge, die seine Augen wahrnahmen, nicht aber sein Geist. Dafür reichte die Zeit nicht.
Der schwarze Schuh.
Das war sein erster absurder Gedanke.
Er hatte einen schwarzen Schuh gesehen, als Denise die Tür öffnete.
Der Tod.
Das war sein zweiter logischer Gedanke.
Die Kugel musste mitten im Gehirn des Mannes mit dem schwarzen Schuh stecken.
Und die Zeit. Die Zeit war stehen geblieben. Miralles war nicht bewusst zur Seite gesprungen, als er den Schuh sah. Er spürte nicht einmal Schmerz in dieser Stille aus Auslegeware, Betten ohne Geflüster, Spiegeln ohne Gestalten. Fenster, hinter denen die Stadt lauerte, ohne etwas sehen zu können.
Er sah Denise an.
Denises Lippen zitterten. Ihr für die Verführung geschneidertes Kostüm hatte sich verändert. Es war kein Kostüm mehr, das verführte, sondern eines für die Trauerbegleitung. Das einer Angestellten im Beerdigungsinstitut.
Sie konnte nur noch zischeln:
»Ein Räuber.«
»Oder ein Falle«, raunte Miralles.
»Beweisen Sie es.«
Die Antwort war hart, präzise, exakt. Ein unerbittliches stählernes Schweigen in den Augen der Frau. Und Miralles spürte sein eigenes Blut fließen und stöhnte auf vor Schmerz, der ihn jetzt plötzlich wie ein Prankenhieb überfiel. Denise bewegte die Beine und legte ihr Knie frei.
»Ein netter Plan, Süße«, flüsterte Miralles mit einer Spur von Bewunderung. »Ich wurde legal zu deiner Verteidigung angeheuert, aber der Räuber ist schon da, bringt mich um, schnappt sich die Beute, und du verständigst die Polizei. Und so kommt niemals heraus, dass es sich um falsche Juwelen handelt. Du wolltest mich in die Falle locken.«
Die Frau stand unter Schock, versuchte aber eisige Gelassenheit zu bewahren. Sie wusste, dass sie versagt hatte, dass alles gegen sie sprach. Ein kompromittierender Koffer, ein toter Freund und ein lebender Feind. Sie versucht nicht zu fliehen, denn das hätte nichts genutzt. In dem Moment klopfte es an der Tür.
Die verlorene Frau ging hin und sagte leise:
»Glaub nicht, dass ich verloren bin.«
30
Nein, sie war nicht verloren.
Im Grunde war es nur eine Frage bedeutender Anwälte – wenn man von dem einen unbedeutenden absieht – und der Menschenrechte. Im Grunde konnte Méndez seine Bewunderung nicht verhehlen. Méndez, ein Mann der Straße, wunderte sich in diesem Fall über die mütterliche Großzügigkeit der Gesetze, die müden Augenringe der Richter und die Diplome in den Büros.
»Alles sonnklar«, sagte Méndez zum Hauptkommissar, während dieser vergaß, die Havanna von irgendeinem fünfzigsten Geburtstag anzuzünden. »Miralles ist ein gefährlicher Pistolenschütze, dem es nichts ausmacht zu töten.«
»Das wissen wir bereits. Und wir wissen, dass er Omedes getötet hat, aber wir müssen es beweisen.«
»Miralles kennt alle Tricks, sogar den mit der Feder in der Manschette. Und natürlich hat er auch dafür gesorgt, dass er einen Waffenschein für das kleine Spielzeug hat.«
»Das habe ich gerade im Bericht der Beamten gelesen, Méndez. Kommen Sie jetzt verdammt noch mal endlich zum Punkt.«
Méndez zündete sich eine Zigarette an, obwohl das Rauchen verboten war, oder besser gesagt, eben weil das Rauchen verboten war.
»Gut. Leónidas Pérez weiß, dass er hinter ihm her ist und will ihm zuvorkommen. Er hat es schon ein paar Mal versucht, aber es ist jedes Mal schiefgegangen, und diesmal war er überzeugt, dass nichts schiefgehen konnte. Miralles wurde für einen Auftrag inklusive Beerdigung angeheuert.«
»Und hier kommt das Gesetz ins Spiel«, sagte der Hauptkommissar.
»Was für ein verdammtes Gesetz?«
»Ganz einfach. Wenn Leónidas Pérez den Vertrag abgeschlossen hätte, würden ihn jetzt sogar die Wächter der Blauen Zone verfolgen. Aber natürlich hat nicht er ihn angeheuert.«
»Wer dann?«
»Eine Dame namens Denise. Das war ihr gutes Recht, und man kann ihr nichts Illegales vorwerfen. Selbstverständlich wissen wir alles über sie. Sie ist Handelsagentin in Paris und verkauft alles, von Autos bis hin zu Juwelen, Hauptsache, die Provision stimmt. Sie ist im Berufsverband, hat einen festen Wohnsitz und zahlt Steuern. Vor
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