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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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warst hier nicht glücklich.«
    »Nein, Mabel.«
    Das ist die Wahrheit, die in der Luft liegt, David, und niemand kann sie zerstören. Deine Frau hat dich geheiratet, um sich zu befreien und aufzusteigen. Weg von ihrem Elternhaus, dem Vater, der immer schimpfte, und der Mutter, die sich mit den Herdplatten und Centimos herumschlug und jeden Morgen verfluchte, geboren worden zu sein. Aufsteigen, weil du, David, vermeintlich eine Zukunft hattest, die sich am Ende zerschlug. Die Gesichter der Chefs, die schlauer waren als du. Die Uhren der Chefs, die pünktlicher waren als du. Und deine Frau stellte plötzlich fest, dass die Stadt mit ihrer ganzen Geschichte letzten Endes nichts anderes war als ein Schaufenster mit schönen Dingen, die sie nicht besaß. Und die Menschen in den Städten, David, hängen, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind, von den Schaufenstern der Städte ab, in denen sie leben.
    Aus all dieser Zeit bleibt ein weißliches Licht und eine Matratze, auf der sie – die Mädchen hatten damals nicht mehr als ihre Fantasie – mehr erwartete, als du ihr gabst. Das Licht starb an den Samstagabenden, sie starrte ins Leere, ohne noch etwas zu erwarten, und eine Nachbarin sang auf der Galerie zum Innenhof und verkündete, das Leben sei schön. Jetzt schaust du nach vorn, und da ist nur die Matratze, es sind keine Nachbarinnen und möglicherweise auch keine Innenhöfe mehr.
    »David …«
    »Ja.«
    »Ich fühle mich schuldig, weil ich gesagt habe, wir sollen hierherkommen.«
    »Keine Sorge, es wird nicht wieder vorkommen.«
    »Weißt du was? Erinnerungen besiegt man, indem man sich ihnen stellt, und eine Erinnerung ersetzt die andere.«
    »Ich verstehe nicht, was du sagst, Mabel.«
    »Es ist ganz einfach. Ich weiß nicht, ob du irgendwann einmal glücklich im Bett warst, ich war es jedenfalls nie. Ich hatte immer Männer auf mir, die ich abstoßend fand, die ich nicht einmal anschauen wollte, die vor dem Spiegel bebten und zuckten, während ich die immer gleiche tote Decke anstarrte, auf der ich mir Gesichter, lachende Gesichter vorstellte, Dinge, die nur ich allein sah und die mir halfen, mir mein Leben auszumalen. Es war immer dieselbe Decke, sie veränderte sich nie, David, aber ich sorgte dafür, dass sie es doch tat.«
    Sie streckte ihm die Hand hin.
    »Was sich veränderte, das waren meine Beine, das, was ich am besten im Spiegel beobachten konnte. Der Rest war von dem Mann verdeckt. Erst waren es dürre Beine, Beine eines Hunger leidenden Mädchens, mit straffer Haut und voller Leben. So sahen meine Beine aus, David, als ich weiße Kniestrümpfe trug. Dann zog ich Seidenstrümpfe an, eine Gabe von Madame. Meine Beine waren etwas kräftiger geworden und schön, aber die Haut war nicht mehr dieselbe. Eine kleine Wulst hier, ein kleiner blauer Fleck da, eine kleine Falte an den Leisten, die vorher so glatt gewesen war. Aber die Männer machten weiter, als ob nichts wäre. Sie waren Maschinen und merkten es nicht einmal. Und jetzt bin ich eine Frau voller Makel und noch dazu älter als du, David, ein Frau, die nie glücklich war. Da war nur ein Mann, der Marqués, der mir manchmal half zu denken und zu reden. Tja, und ich denke, dass du und ich von demselben Gespenst heimgesucht werden.«
    Mabel sagt leise:
    »Lass es uns ein für alle Mal loswerden.«
    Und sie weiß, dass David sich nicht auf die linke Seite stützen kann, denn er ist verletzt, aber das macht nichts. Sie drückt die Hand, die zu töten, aber eine Frau nicht zu streicheln vermag. Mabel sucht mit der Zunge seine Einsamkeit, ihrer beider Einsamkeit.
    Lass mich nur machen, Liebling, lass mich nur machen, ich genieße die Vorstellung, und außerdem bin ich eine Expertin. Lass mich dich suchen. Meine Zunge ist weise, lang, sie hat Finger, sie hat Alter und Gedächtnis. Lass mich dich streicheln. Dich verwöhnen. Unser Leben auf die toten Wände spucken.
    Schön, das ist nicht dasselbe, David, das ist nicht dasselbe. Wie man dir anmerkt, dass dich nie eine Frau wirklich geliebt hat. Wie man dir anmerkt, dass du nie eine wie mich getroffen hast, die sich danach sehnt, einen Mann anzusehen und nicht eine Zimmerdecke. Wie man merkt, dass diese Matratze nie dein war, doch jetzt wird sie es sein, jetzt werden die Lichtstreifen hier an der Wand ein Zwinkern der Luft sein, ein einziges Zucken.
    Komm.
    Mir schmerzt die Scham vor lauter Sehnsucht, mich streichelt der Speichel, der alles erfüllt, der in der Tiefe meines Leibes entstanden ist, doch

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