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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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behauptete der Besitzer, er sei schließlich nicht dafür verantwortlich, welchen Besuch seine Mieterinnen empfingen. Doch wenn das Gesetz seine Nase nicht hineinsteckte, sondern ein Betrunkener, ein Schläger oder ein illegaler Mafioso – denn es gab auch legale Mafiosi –, dann hielt der Besitzer sich bedeckt und Miralles kümmerte sich um die Sache. In jener Zeit, an die er nicht mehr denken wollte (als sein Kopf völlig leer war, als er um gute Jobs bat und schlechte bekam), waren vor seiner Pistole plötzlich geschrumpelte Schwänze und verzerrte Gesichter von Kerlen aufgelaufen, die nicht gekommen waren, die kurz davor waren, und ausgerechnet dann kam ein anderer und machte Ärger. Auch hatte er rote Hände von Sadisten gesehen, die ein Mädchen geschlagen hatten, und zugedröhnte Polizisten mit Polizeimarke am Sack. Und Mädchen, viele echte Mädchen oder angebliche Jungfrauen mit drei Kindern in Kolumbien, Kubanerinnen auf der Suche nach einem kapitalistischen Pass, Spanierinnen, die sich einen kubanischen Strand leisten wollten, Mädchen, die nach der Fabrik noch eine Sonderschicht schoben, um die arme Mama zu unterstützen. Miralles, du hättest nicht herkommen dürfen, verflucht seien deine Erinnerungen.
    Aber du bist nicht deinetwegen hier, das weißt du. Du bist wegen deines Sohnes gekommen. Du warst in der Schule und weißt, wie man ihn erziehen wird, wie er Freunde und Freundinnen finden und vielleicht auf die Schenkel der Lehrerin schielen wird. Aber dann wird er älter werden. Dein Sohn wird älter werden, David Miralles, so wie du, und dann werden die Schenkel der Lehrerin in seinem Leib Explosionen auslösen, er wird sie an die Wände gezeichnet sehen, und dann wird er an Orte wie diesen kommen, wo man ihm vom Gelobten Land erzählt. Das Schlimme ist, dass er dann aufhört mit dir zu reden, David, er wird dir nicht mehr alles erzählen, wie er es als Kind tat. Euch wird ein Vorhang aus Schweigen trennen, gemacht aus Seidennachthemden. Du willst nicht, dass es dazu kommt, David, aber das wird es. Und weil du deinen Sohn nicht verlieren willst, wirst du zu ihm von Mäßigung sprechen, von Würde, von verantwortungsvollem Sex, du, der du Orte wie diesen geschützt hast, wo es weder Mäßigung noch Würde gibt und wo der Sex alles andere als verantwortungsvoll ist. Du wirst mit ihm auch über das gerechte Geld sprechen, du, der so viele Orte mit ungerechtem Geld verteidigt hat, du, der im eigenen Blut gespürt hat, wie das ungerechte Geld deinen Sohn tötete.
    David Miralles spürte, wie seine Augen feucht wurden, ihm, einem Pistolenschützen, wurden die Augen feucht. Er war sich bewusst, dass er das Leben seines Sohnes lebte, doch das Leben seines Sohnes gab es nicht. Er konstruierte es, er konstruierte es für das Nichts.
    Oder vielleicht auch nicht, vielleicht war das das Einzige, was sein Leben rechtfertigte.
    Das Leben erfährt durch Dinge seine Rechtfertigung, die nicht existieren.
    Und in diesem Moment betrat Eva den Raum.
    Aber was tust du hier, Eva Expósito, Mädchen, in diesem Lokal mit angeblichen, retuschierten Mädchen. Es gefällt mir nicht, dass du hier bist, Eva, du bist nur meine Assistentin – und nicht immer die Klügste – und du sollst nur das tun, was ich dir sage.
    »Entschuldigung, darf ich mich einen Moment setzen?«
    Die kleine Negerin schaut sie irritiert an, aber sie denkt, wenn er von der Polizei ist, dann sie vielleicht auch, vor allem heute, wo die Mädchen ratzfatz zu den Bullen gehen und man ihnen eine Pistole und ein Gesetz gibt, während sie, die kleine Negerin, immer nur Prügel bekommen hat.
    »Wenn die Señorita etwas bestellen möchte …«
    »Nein, die Señorita möchte nichts.«
    David Miralles Stimme klang allzu brüsk, jetzt, da die Dinge sich komplett gewendet hatten und nicht mehr rückgängig zu machen waren. Du warst dort, umgeben von diesen Mädchen, die dir nichts bedeuten, und basteltest ein Leben für deinen Sohn. Jetzt ist da noch Eva, die dir sehr wohl etwas bedeutet, und du kannst nichts mehr basteln. Deine Einsamkeit ist geplatzt, dein Sohn ist tot.
    »Ich verstehe nicht, was du hier zu suchen hast, Eva.«
    »Seit mehr als einer Stunde suche ich dich überall. Ich habe bei der Firma angerufen, ob man dir einen Spezialauftrag gegeben hat, ich war in der Bibliothek, wo du manchmal recherchierst, in zwei oder drei der Cafés, wo man dich kennt. Bis mir die Puste ausging. Dann bin ich nach Hause, um zu sehen, ob ich in deinem Zimmer etwas

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