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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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du an mich denkst, Eva.«
    »Vielleicht weil ich noch fähig bin, etwas für jemanden zu empfinden. Du hingegen weißt doch gar nicht, was es heißt, für Lebende Zuneigung zu empfinden. Du liebst nur die Toten.«
    Und dann stand sie auf. Mit drei Schritten – mit denen sie alle Träume der Gäste zum Platzen brachte, die sie vorbeigehen sahen – war sie an der Tür.
    Und David Miralles folgte ihr.
    Die Straße mit ihren Autos, dem Spiegelbild des Fortschritts, mit den Passanten, dem Spiegelbild der Arbeitslosigkeit, mit ihrem plötzlich hereinbrechenden Licht und ihrer Wärme. Dieselbe Eva hielt ein Taxi an, als wisse sie den Weg. Das Taxi stoppte. Auch der Mann blieb stehen, der direkt auf den Club zusteuerte, ein Mann mittleren Alters, der sich nur im Gefängnis sonnen konnte, und dessen absolut unverwechselbare Augen ihn älter machten.

36
    Schön, Daniel Bermúdez, da hast du ihn.
    Gut, dass du in die Wohnung gegangen bist, den Terminplan und die Visitenkarten dieses Mistkerls von Miralles durchgegangen bist, dir ein paar Adressen notiertest und dann alles so hinterlassen hast, wie es war. Du hast dich ganz schön sputen müssen, aber gute Arbeit wird immer belohnt. Der Mistkerl steht vor dir.
    Und die Tussi.
    Verdammt, die sieht sogar richtig gut aus.
    Aber Daniel Bermúdez, der Mörder auf Distanz, machte den Fehler, auf die Frau zu achten. Es gibt immer einen einzelnen Gedanken, der alles ins Wanken bringt. Die Tussi, die Tussi, die Tussi. Weil Bermúdez den Blick nicht von Eva abwenden konnte, verlor er die wertvolle Sekunde, die das Leben vom Tod trennt.
    Und Eva schrie:
    »Da!«
    Eine halbe Sekunde später zielte Miralles, die Pistole in der Hand, selbstsicher. Er wusste, er würde ihm das Hirn wegblasen.
    Tod. Tod für dich, Daniel Bermúdez, für die Kinder, die du nicht hattest, für die Mutter, die glaubte, sie habe abgetrieben.
    Aber in der halben Sekunde danach geschahen zwei Dinge. Zunächst und ganz unerwartet stellte sich Eva vor Miralles, um zu verhindern, dass ihn eine Kugel traf. Das ließ ihn einen Lidschlag lang zögern, weil er sie wegschob. Dann war da der Junge, der plötzlich auftauchte.
    Der Junge.
    Er dürfte etwa vierzehn Jahre alt sein und war an der Ampel über die Straße gerannt, bevor sie rot wurde. Er hatte den Bürgersteig noch nicht erreicht, da erfasste ihn eine Pranke und er spürte den Lauf an der Schläfe. Bermúdez hielt den Jungen am Hals fest und rief:
    »Wirf die Pistole, Miralles! Weg damit, oder ich knalle ihn ab!«
    Und da drehte sich auf einmal die gesamte Straße. Und Miralles’ Augen weiteten sich, bis sie aussahen wie zwei schwarze Gräben. Und die Zunge brach ihm zwischen den Zähnen hervor, wurde ein lebendes Tier und schob sich in seinen Schlund.
    Der Junge, der Junge.
    Älter als sein Sohn.
    Aber sein Sohn. Auch Eva stand wie versteinert da, sie traute sich nicht zu atmen. Und dann fiel sie auf die Knie auf den Asphalt, während die Straße sich ein weiteres Mal drehte. Sie bat ihn um Barmherzigkeit, Barmherzigkeit für den Sohn, den sie nie gehabt hatte.
    Bermúdez schrie:
    »Weg mit der Waffe oder ich knalle ihn ab! Auch sein Tod wird mich nichts kosten!«
    Miralles fühlte sich wie im Tunnel der Zeit. Die Jahre waren nicht vergangen, das Leben war nicht weitergegangen, seit man seinem Sohn auch eine Waffe an den Kopf gehalten hatte. Plötzlich sah er die Szene, die er nie gesehen hatte, er sah den aufgeplatzten Schädel, das Blut des Kindes, und weiter hinten einen Fleck, einen weißen Grabstein.
    Er ließ die Pistole fallen.
    Er wusste es. Das metallische Klick auf dem Asphalt war sein Todesurteil.
    Bermúdez lachte.
    »Gratis«, sagte er.
    Die Straße war weg, die Straße und ihre Geräusche waren verschwunden, die Straße war nur mehr wie ein schwarzes Rohr.
    Er nahm die Pistole vom Kopf des Kindes weg und zielte auf Miralles. Es konnte nichts schiefgehen.
    »Ciao«, sagte er.
    In dem Moment explodierte die Kugel in seinem Kopf, zersprengte ihn, verwandelte seinen Nacken in etwas, das wie die Straße war, ein langes schwarzes Rohr.
    Trotz des Rückschlages der riesigen 45er bewegte sich Méndez’ Hand nicht einen Millimeter.
    Niemand hörte ihn, als er sagte:
    »Schade. Ich hätte dir eigentlich deine Rechte vorlesen müssen.«
    In der Straße stand die Zeit immer noch still, die Autos hingen in der Luft, die Blase schluckte die Schreie, die quietschenden Bremsen, die der Reihe nach aufeinanderprallenden Autos, die Stimmen der Fahrer, die

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