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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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konnten.
    Denn das Ganze durfte auf keinen Fall zu lange dauern. Weder er noch Eva konnten allzu lange bei der Arbeit fehlen, und Mabels Wohnung war keine dauerhafte Bleibe. Außerdem konnte es nicht angehen, dass er sich versteckte, es war ein anderer, der sich verstecken sollte.
    Er würde Leónidas Pérez erledigen, er würde seine Rache bekommen.
    Zu Eva sagte er:
    »Lass uns gehen.«
    In dem alten Horta-Viertel standen, wie Méndez mit großer Müdigkeit in den Füßen bemerkte, nur noch ein paar Ferienhäuser. Die früher so ruhigen Straßen – ein Stuhl, ein Pläuschchen – hatte man jetzt verbreitert, aber mit den riesigen Blöcken zu beiden Seiten wirkten sie noch schmaler als früher. Die Nachbarschaftsvereinigungen kämpften für eine Grünfläche, für Kanalisation und eine Ampel. Die Vögel waren ausgewandert, und die wenigen Dichter, die dort lebten, waren auf Befehl der zuständigen Behörde vertrieben worden.
    Der Fortschritt eben.
    Aber es gab noch ein paar einzelne Häuser mit Garten, eine Kiefer, ein Steingeländer, eine verrostete Schaukel und eine Pflanze, die jeden Herbst vor den Fenstern des Hauses starb. Manchmal trägt so eine Kiefer, Wunder aller Wunder, den Namen einer Frau, eingeritzt in ihre Rinde.
    Als sie zu dem Haus kamen, sagte David Miralles:
    »Das ist das Haus, von dem Mabel mir erzählt hat.«
    Eva Expósito wollte nicht über Mabel sprechen.
    Doch David Miralles fuhr fort:
    »Warum hast du dich vor mich gestellt, als der Mann schießen wollte? Ich will wissen, warum du das getan hast.«
    Und Eva erwiderte:
    »Weil du der einzige Mensch auf der Welt bist, der mir Hoffnung gegeben hat, obwohl ich nicht weiß, ob du das je verstehen kannst.«
    Kurz darauf betraten sie eine nahe gelegene Kneipe, von der aus man das Haus sehen konnte. Die Kneipe war voller Arbeiter, die von der Schicht kamen, und befand sich in einem großen Block mit vertikalen Nischen, der die Harmonie der Völker darstellte. Sie trug einen sanften andalusischen Namen, pries einen spanischen Anis an, hatte eine philippinische Putzfrau und einen islamischen Kellner. Die Gäste, aus den Tiefen von Schlafzimmern geflohen, in die nicht einmal eine Frau hineinpasste, sprachen über die Fußballergebnisse und die Darlehen für ihre Wohnungen. Statt der alten Plakate über die Einheit des Proletariats hätte dort genauso gut ein anderes hängen können: »Darlehensnehmer der Welt, vereinigt euch.«
    Rauchen war erlaubt. Das, was vom alten Spanien des Anislikörs noch übrig war, die Kippe und Muttis Schenkel. Ein Schild an der Tür sagte es klar und deutlich: »Wer nicht raucht, wird beschimpft.«
    Eva flüsterte:
    »Ich war in diesen Straßen unterwegs. Sie waren gar nicht so schlecht, denn auf den engen Bürgersteigen und zwischen den vielen Autos kann man gut klauen. Manchmal habe ich in den Gärten der wenigen Ferienhäuser geschlafen, die es noch gibt. Man hat mir erzählt, früher sei es überall so gewesen. Und im Sommer habe es Damen mit Kletterrosen gegeben und galizische Ammen, die die Kinder stillten. Schau sich das einer an, jetzt ist nicht einmal mehr ein Baum übrig. Und auch keine galizische Brust.«
    »Das Haus, zu dem wir gehen, wurde von einem Marqués erbaut«, sagte er nachdenklich. »Ich glaube, eine Zeit lang gab es dort Mädchen. Mabel war eine von ihnen.«
    Eva fragte auch dieses Mal nicht nach Mabel.
    »All das macht mich traurig«, sagte sie leise. »Als ich in den Gärten schlief, hatte ich keinerlei Hoffnung.«
    Und ihr Blick schien sich im Leeren zu verlieren. Plötzlich war ihr Blick jung, der eines ängstlichen Mädchens, ein so junger Blick, dass er aus einem Nest zu kommen schien. Aber Miralles bemerkte es nicht.
    »Es ist merkwürdig«, sagte er.
    »Was ist merkwürdig?«
    »Ich habe geträumt, in einem dieser wenigen Häuser, die noch übrig sind, würde eines Tages mein Sohn leben.«
    »Dein Sohn …«
    Eva biss sich auf die Unterlippe.
    »Warum rekonstruierst du immer noch das Leben deines Sohnes?«
    »Vielleicht weil ich nichts anderes habe.«
    »Du hast nichts anderes?«
    Schweigen. Auf einmal schien fern von den Geräuschen in der Kneipe alles tot. Sie gingen zu dem Gitter, das prachtvoll war, teilweise gehämmert, wie bei alten andalusischen Häusern. Dahinter lag friedlich eine kleine Welt aus Bäumen, Blumenbeeten und kleinen Lichtern. Im Haus war nicht das geringste Anzeichen von Leben zu erkennen. Auf dem Gitter suchte man vergeblich nach einer Klingel, dafür waren dort

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