Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
berühmte Damen, die schon zu Francos Zeiten Minister unter den Teppichen versteckt hatten. Eine andere mögliche Informationsquelle sind die Banken, das Geld, aber in die Banken lässt man mich nicht hinein.«
»Dem sind wir sorgfältig nachgegangen, Méndez. Alle Geldbewegungen, die mit diesem Kerl zu tun haben könnten, haben wir überprüft. Nichts.«
»Ich weiß«, sagte Méndez, »dass Miralles und das Mädchen nach der Befragung zu einer unbekannten Adresse gegangen sind, aber ich werde sie suchen.«
»Keine schlechte Idee.«
»Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an einen alten Polizisten erinnern, Hauptkommissar, Julián Andrade. Er war bei der Jugendkriminalität.«
»Natürlich erinnere ich mich, natürlich. Er war der Verbittertste von allen, die sich in den Straßen dieser Stadt die Hacken abgelaufen haben.«
»Nach Andrades Beerdigung war ich in seiner Wohnung. Papiere, alte Möbel und eine an den hinteren Fenstern sterbende Sonne – aber vielleicht bin ich ja auch kein Spezialist für die Betrachtung von Wänden. Jedenfalls hat Andrade David Miralles gebeten, er solle dieses vom Weg abgekommene Mädchen schützen, das jetzt bei ihm lebt, Eva Expósito. Ich habe bis zum Erbrechen Papiere unter die Lupe genommen, Hauptkommissar, und Sonnenstrahlen, die auf ein und derselben Steinplatte starben. Und genau deshalb habe ich diesen Leuten etwas zu sagen. Ich muss mit Miralles sprechen, und zwar bevor die Kugel abgeschossen wird, die seinen Namen trägt.«
»Dann suchen Sie ihn, bevor ich den Aktendeckel zuklappe.«
»Ich versuche es«, versicherte Méndez. »Und es wird mir bald gelingen, denn die Zeit arbeitet gegen mich. Vor allem, weil ich mir gar nicht sicher bin, ob David Miralles überhaupt weiterleben will.«
»Diese verfluchte Stadt ist voll von Leuten, die töten wollen, und solchen, die sterben wollen«, brummte der Hauptkommissar. »Die könnten das doch unter sich ausmachen.«
38
Die Frau im Rollstuhl wiederholte:
»Tun Sie es schnell.«
David Miralles’ Augen – aber vor allem Evas – wollten nicht glauben, welch beklemmende Atmosphäre in dem Zimmer herrschte, das dadurch aber nichts an Eleganz einbüßte. Die Fenster waren geschlossen und es brannte nur ein kleines Sterbelicht.
Die in den Kleidern gefangene Hitze, die zahlreichen Medizinfläschchen auf einem Beistelltisch, die Haut der Frau. Der Geruch, der die Luft noch schwerer machte. Miralles erkannte, dass die Frau in den letzten Zügen lag.
Mabel hatte bereits mit ihm über das Thema gesprochen.
Er sah Madame Ruth an.
Das war also alles, was von den großen Jahren, dem geheimen Glück, den Großbürgern mit den prall gefüllten Brieftaschen und den jungen Mädchen mit weißen Kniestrümpfen übrig war.
Aber in Barcelona, dachte er, hatte es immer schon Großbürger, Mädchen und natürlich auch Strumpfhersteller gegeben.
Um den Frieden im Raum nicht zu stören, flüsterte Miralles:
»Ich fürchte, hier liegt eine Verwechslung vor, Señora.«
»Nein. Mabel sagte, es würde jemand kommen, um dem hier ein Ende zu machen, und ich glaube nicht, dass Sie um diese Zeit vorbeikommen, um mir gute Nacht zu sagen. Sie sehen nicht aus wie ein Krankenpfleger.«
»Nein, das bin ich auch nicht.«
Miralles war sich sicher, dass die Kranke durch das Grabeslicht im Zimmer hindurch Eva Expósito nicht gesehen hatte, die in der Dunkelheit hinter dem Türrahmen stand. Er gab ihr ein Zeichen näherzukommen, und so betrat auch sie die Sterbekammer. Er war von Mabel über die Lage unterrichtet, und weil er dort wenigstens ein paar Tage unterkommen musste, wollte er den Irrtum nicht aufdecken, zumindest nicht bis Mabel kam. Es wunderte ihn, dass sie nicht zu Hause war.
Sein Schädel brummte. Er meinte immer noch, die Waffe am Kopf des Jungen zu sehen.
»Sie müssen sich jetzt hinlegen«, sagte er sanft. »Sie können die Nacht nicht im Rollstuhl verbringen.«
»Warum nicht? Was macht das schon?«
»Natürlich macht das etwas. Wenn zu Ihrem Leid noch ein weiteres hinzukommt, dann wird es für Sie unerträglich.«
»Es ist bereits unerträglich.«
»Aber es kann besser werden. Es ist zum Beispiel verdammt warm hier, ich werde das Fenster öffnen.«
Eine leichte Meeresbrise, die vom Strand kam und den Ratten den Sommer erleichterte, hüllte die Madame ein, und sie schloss die Augen. Miralles musste sich wohl auch erleichtert fühlen, denn er atmete ein paarmal tief durch. Hinten im Raum erblickte er ein Metallbett, ein
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