Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
kleine metallische Rädchen ähnlich denen der Geldkassetten, bei denen man eine Zahl einstellen konnte. Miralles kannte sie, denn nach zwei Handgriffen quietschte das Gitter ein wenig und ging auf.
Eva dachte: ›Mabel‹. Aber sie sagte nichts.
Der Garten erstreckte sich bis zum Haupteingang des Hauses, einer zweiflügeligen Tür aus schwerem Holz, eines dieser wahrhaftigen Dinge, für die es nicht nur Geld, sondern Jahre braucht. Die Tür hatte ein gewöhnliches Schloss, in das Miralles einen Schlüssel steckte.
›Mabel.‹
Doch Eva schwieg wieder.
Im Garten gab es eine Gemeinschaft von Schatten und eine von Katzen. Wahrscheinlich war der Wachhund gestorben. Hinter der von Miralles geöffneten Tür sah man ein geräumiges cremefarben gestrichenes Empfangszimmer mit eleganten Möbeln im Stil der fünfziger Jahre und Türen, deren dunkle Holzbögen sich in Arabesken an der Wand fortsetzten.
Miralles, der ein paar alte Häuser bewacht hatte, musste sofort an die Gebäude des franquistischen Adels denken, die so stark mit der Sehnsucht nach dem Imperium verbunden waren. Doch dann fielen ihm noch zwei Details ein. Das Haus war von einem steinreichen Marqués nach dem Geschmack der damaligen Zeit erbaut worden. Und es hatte dort Mädchen gegeben.
Nun, der Marqués war nicht mehr da, aber die Mädchen schon. Er entdeckte zwei von ihnen in den hinteren Zimmern, die Türen standen halb offen. Und sogleich dachte er, dass diese Räume ursprünglich keine Schlafzimmer gewesen waren, denn in den Häusern der Reichen war es nicht üblich, dass diese auf das Vestibül hinausgingen. Aber jetzt war es so. Die Zimmer hatten einfache Betten. Und ihm fiel auf, dass die Mädchen, beide halbnackt, nicht auf einen Freier zu warten schienen – wie vielleicht in früheren Jahren –, sondern dass sie sich wie Hausherrinnen benahmen. Doch es schien sie nicht zu wundern, dass ein Mann und eine junge Frau das Haus betraten. Sie sagten kein Wort, schlossen einfach die Türen.
Eine Marmortreppe auf der rechten Seite führte in das obere Stockwerk. Das Geländer war aus Bronze und glänzte sanft im Halbdunkel des Vestibüls. Es brannte nur ein schwaches Licht, es sah aus wie eine dieser Kerzen, deren Flamme bei den Totenwachen zittert.
David nahm Eva sanft am Arm und gemeinsam gingen sie schweigend die Treppe hinauf. Oben, im ersten Stock, brannte ebenfalls nur ein Licht, alles war in Halbdunkel getaucht. Am Ende der Treppe befand sich eine Konsole und darüber das Porträt einer Dame. Das Kleid der Dame, ein luftiges Fantasiegebilde aus Organdy, Seide und einem kundigen Schneiderinnenblick, erinnerte ebenfalls an die Fotos der fünfziger Jahre, als die ehrwürdigen Damen Wohltätigkeitsveranstaltungen vorsaßen, jeden Oktober die Saison am Liceo eröffneten und an einem Nachmittag sieben Friseurinnen beschäftigten. Das war nicht schlecht für eine Madame, die sich darauf verstanden hatte, das Alter der Frauen und die Brieftaschen der Männer zu schätzen. Wenn das die Madame war.
Sie musste es sein, dachte Miralles, obwohl er sie nicht kannte. Er trat vor das Bild und sah zu beiden Seiten eine Tür. Er stieß die linke auf.
Und da sah er die Frau von dem Porträt, sie war nicht mehr dieselbe. Das Alter ist eben das Alter, sagen die Ärzte. Die Dinge sind, wie sie sind, sagen Mörder wie Leónidas. Jetzt zeigten sich das Alter und die Dinge in einem Rollstuhl, die gelbe Haut einer Frau, der Frau von dem Bild, die nicht mehr die Saison am Liceo feierlich eröffnen konnte, sondern bestenfalls ein Pantheon. Sie konnte sich kaum noch bewegen, hatte kaum noch eine Stimme.
Dennoch flüsterte sie:
»Zum Glück haben Sie sich entschieden, mich ins Jenseits zu befördern, nachdem ich so lange darum gebeten habe. Bitte machen Sie es bald.«
37
Im alten Poble Sec kommt ein Viertel der Bevölkerung nicht mehr aus Poble Sec. Die alten anarchistischen Arbeiter gibt es nicht mehr, und bei den Enkeln weiß man es nicht so genau … Von den Alten, die in den Krieg zogen, ist nur das Porträt einer Witwe geblieben, von denen, die Macià wählten, nur noch die Reste einer Fahne.
Méndez mit dem Disziplinarverfahren ging durch das Viertel El Raval bis zum Kommissariat, und dachte darüber nach, dass seine Lage noch nie so dramatisch gewesen war wie jetzt, und er wusste, das hatte nur einen einzigen Vorteil. Noch weiter konnte man ihn nicht degradieren.
Der Hauptkommissar begrüßte ihn:
»Verdammt, Méndez.«
Es war nicht einmal Loles da,
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