Der Todesbote
Ukraine.
Aber aus irgendwelchen Gründen war man in München dagegen und ich wurde zweimal nach Kiew transportiert, obwohl ich darum gebeten hatte, nach Moskau geschickt zu werden.«
»Warum wollten Sie nach Moskau?«
»Für mich sind die Deutschen meine Seele, und Moskau ist die Vernunft. Ich wollte dahin, wo ich verstanden werden kann.
Hier in der Ukraine hat man mich nie verstanden. Vielleicht gibt es ja jemanden, der mich versteht, aber alle schweigen.
Die Menschen, in deren Händen momentan mein Schicksal liegt, wollen mich ebenfalls nicht verstehen. Das Prokurat und das Gericht wollen sich um mein Schicksal kümmern. Auch der seit 1994 amtierende Staatspräsident der Ukraine, L. D.
Kutschma, will einfach nicht darüber nachdenken, dass er über das Schicksal Onoprienko entscheiden könnte. Er überlässt dies anderen. Es gibt bei den Russen ein Sprichwort: ›Meine Hütte steht an einem Rand, mich geht nichts etwas an.‹ Das trifft sehr gut auf mich zu.«
»Was genau versteht man nicht? Mangelt es an Aufmerksamkeit an Ihrer Person hier in Zhitomir? Fühlen Sie sich vernachlässigt?«
»Die Probleme, die ich habe, sowohl die persönlichen als auch die globalen Weltprobleme kann man nicht lösen, wenn man im Gefängnis sitzt.«
»Und wie müsste man Sie Ihrer Meinung nach lösen?«
»Dies ist eine äußerst schwierige Frage. Zunächst benötigt man dazu absolute Fachleute. Vielleicht könnte eine Zusammenarbeit von deutschen, japanischen und russischen Fachleuten meine Probleme lösen, die vor etwa zehn Jahren entstanden sind.«
»Was für Probleme sprechen Sie damit an?«
»Diese Probleme möchte ich jetzt nicht nennen. Die Hauptsache ist dabei das gegenseitige Vertrauen zwischen diesen Wissenschaftlern und mir. Ich kenne bestimmte Dinge, die sie nicht kennen – und umgekehrt. Obwohl … ich glaube nicht an die Wissenschaftler, auch nicht an die Regierung; ich denke, es gibt eine höhere Macht, die alle unsere Handlungen regiert. Diese höhere Macht wird alles entscheiden, so auch mein Schicksal. Sie kontrolliert die ganze Situation und alle Dinge, die mit solchen Triebtätern, wie ich einer bin, verbunden sind. Es gibt im Moment größere Probleme, wie die im Irak und im Kosovo, und es gibt kleinere, wie zum Beispiel das Schicksal von Onoprienko, die aber im kleinen Maßstab wichtiger sind. Es besteht ein Problem zwischen mir, einem Angeklagten, dem Gericht und der Regierung der Ukraine über die Unterbringung meiner Person hier in diesem Gefängnis. Ich habe einige bestimmte Vorschläge betreffend der Sicherheit der Ukraine zu machen, doch niemand hört mich an. Mit 30
Jahren beschäftigte ich mich mit unerforschten Energien und habe damit große Leistungen erreicht. Es ist kein Geheimnis mehr, dass es in jedem Land einen Geheimdienst gibt. So war ich in den letzten zehn Jahren das Objekt solcher Geheimdienste aus Deutschland und den USA. Die Amerikaner versuchten, mein Schicksal während meines Aufenthaltes in Deutschland zu beeinflussen, indem sie mich in ein Randgebiet Deutschlands schickten, damit ich da ruhig arbeiten könnte.
Das war 1991, glaube ich … Das war ein kleines Dorf nahe Passau. Die Züge halten da zwar, aber an den Namen des Ortes kann ich mich jetzt nicht erinnern. Damals, als ich das politische Asyl beantragt habe, hat man mich durch drei verschiedene Lager geführt und mich danach für dieses Dorf bestimmt. Ich habe da zusammen mit verschiedenen Asylanten gelebt. Sie kamen aus der Ukraine, aus dem Kosovo und aus Albanien. Es waren insgesamt 20 Leute im Hotel. Die Atmosphäre zwischen uns war unangenehm. Am Anfang versuchte ich ganz ruhig zu leben, aber bald habe ich verstanden, dass keine Verbesserungen zu erwarten sind. Und ich habe zwei Probediebstähle gemacht, indem ich eine kleine Bar und eine Firma bestohlen habe. Die Polizei kam zu mir und fragte, ob ich diese Diebstähle begangen hätte. Ich bestätigte dies. Dann schlugen sie mir vor, das Gestohlene zurückzugeben, was ich dann auch getan habe. Ich sagte ihnen, sie sollen mich vor Gericht stellen, da ich in ein deutsches Gefängnis möchte. Sie haben das aber abgelehnt und mich nach sechs Monaten in die Ukraine zurückgeschickt…«
Man unterbricht Onoprienko, was ihm sehr missfällt.
»Wir brauchen eine neue Tonkassette«, gibt jemand zu verstehen. Die wenigen Minuten des Einlegens vergehen wie im Flug. Als man Onoprienko ein Zeichen gibt, dass das Interview fortgeführt werden kann, sprudelt es nur so
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