Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
Leute jetzt in Angst und Schrecken vor dem Wüten des Todesengels verfallen, Euch die Kniebänke der Beichtstühle blank scheuern und sich für ein paar Tage vornehmen, ein gottgefälligeres Leben zu führen?«, fragte Scalvetti.
    Es zuckte kurz um Pater Angelicos Mundwinkel. »Dass es lange Schlangen vor den Beichtstühlen geben wird, ist anzunehmen. Aber das meine ich nicht, nein. Ich rede von etwas anderem, und zwar den Stellen aus der Göttlichen Komödie, die der Kerl in seiner kruden Epistel verwurstet hat.«
    Der Commissario legte die Stirn in Falten. »Ich kann Euch nicht ganz folgen. Wie soll uns diese Zitatenstümperei weiterhelfen, Pater?«
    »Beispielsweise können wir wohl ausschließen, dass Jacopo Forlani seine Nase jemals in ein so anspruchsvolles Buch wie Dantes Göttliche Komödie gesteckt hat und dann auch noch daraus zu zitieren weiß«, antwortete der Mönch. »Wohingegen die Brancoletti gewiss alle solide ausgebildet sind und bestimmt ein Exemplar dieses Buches in ihrem Palazzo stehen haben.«
    »Teufel auch, da setzt Ihr einen Treffer, Pater«, sagte der Commissario und nickte anerkennend. »Es ist in der Tat kaum anzunehmen, dass der Geist humanistischer Bildung Forlani jemals auch nur gestreift hat. Zumindest lassen seine Herkunft und sein ungehobeltes Auftreten auf nichts anderes schließen.«
    »Also ist Brancoletti unser Mann«, beharrte Pater Angelico einmal mehr.
    Tiberio Scalvetti seufzte schwer und kratzte sich am Kinn. »Gewiss, die Anzeichen häufen sich«, räumte er widerstrebend ein. »Trotzdem will mir einfach nicht einleuchten, dass Matteo Brancoletti, so skrupellos er als Geschäftsmann auch sein mag, hinter den Morden stecken soll. Er tötet einen Pater und eine Wachsbildnerin, um endlich seinen neuen Palazzo bauen zu können? Und dann denkt er sich auch noch diese hanebüchene Geschichte mit dem Todesengel aus?« Er schüttelte den Kopf. »Das Motiv erscheint mir zu schwach, Padre. Der Mann weiß, über welche finanzielle Macht er verfügt und wie groß sein Einfluss in den höchsten Kreisen ist. Ich glaube nicht, dass er auch nur die Möglichkeit in Erwägung zieht, der Sensale könnte es wagen, ihn zu hintergehen, und das Geschäft mit Forlani machen.« Als Pater Angelico einen Einwand vorbringen wollte, hob er rasch die Hand. »Ich weiß, mit dem Grobian ist bestimmt nicht gut Kirschen essen, und er hat ihm gedroht, das habt Ihr mir berichtet. Aber Landozzi wird in jedem Fall die Rache des Bankherrn mehr fürchten als die Möglichkeit, dass Forlani ihm etwas antut. Zumal dieser sich solch einen Übergriff gar nicht leisten kann, will er nicht noch mehr in Verruf geraten. Ihr wisst, wie sehr Landozzi danach dürstet, endlich von unseren Grandi und Nobili akzeptiert und in die eigenen Kreise aufgenommen zu werden. Nein, ein solches Risiko wird er nicht eingehen! Und damit ist Brancoletti aus dem Rennen. Quod erat demonstrandum! « Was zu beweisen war.
    Es gefiel Pater Angelico gar nicht, dass er der Argumentation des Commissario nichts entgegenzusetzen hatte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als zu spekulieren, ob Forlani nicht doch irgendwie an Dantes berühmtes Werk geraten sein und sich daraus bedient haben konnte. Die wirre Auswahl und Verwendung der Stellen mochten ein Hinweis darauf sein.
    Sie redeten noch eine ganze Weile und zerbrachen sich den Kopf, wie sie dem Täter auf die Spur kommen und ihm das blutige Handwerk legen könnten, doch keinem fiel etwas ein, das auch nur vage Erfolg versprochen hätte. Und so trennten sie sich in dem bedrückenden Bewusstsein, dass dem selbsternannten Todesengel so einfach nicht beizukommen war.

34
    P ater Angelico musste sich zwingen, den Rest des Tages nicht bei Gershom oder im Giardino zu verbringen, sondern in die Via Chiara und an die Arbeit in der Hauskapelle zurückzukehren. Fast fürchtete er sich davor, Lucrezia zu begegnen und wieder einmal seine Gefühle nicht verbergen zu können.
    Zu seiner großen Erleichterung traf er im Palast weder auf Lucrezia noch auf die beiden Franzosen. Was allerdings dazu führte, dass er sogleich argwöhnte, sie könnte mit den beiden Hausgästen – oder womöglich nur dem Schönling Henri – in der Stadt sein und die ihnen die Sehenswürdigkeiten von Florenz zeigen. Das war natürlich nur hinnehmbar, wenn sie sich in der schicklichen Begleitung ihrer Zofe Piccarda befand.
    Allein schon die Vorstellung, sie könnte mit diesem französischen Süßholzraspler zusammen sein, regte ihn

Weitere Kostenlose Bücher