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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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für einige Minuten ertragen müsst und schnell wieder vergessen haben werdet, reich entschädigt werdet, und zwar im Sinne des Wortes.«
    »Gebe Gott, dass es so kommt«, sagte Niccolo Landozzi und seufzte schwer. »An der Zeit wäre es, endlich aus dieser unseligen Zwickmühle herauszukommen!«
    Augenblicke später standen sie vor der Tür zum Glockenturm. Der Todesengel hielt den Schlüssel schon in der Hand, doch bevor er aufsperrte, schaute er sich rasch noch einmal verstohlen um. Weit und breit war nichts zu sehen, das ihn hätte alarmieren müssen.
    »Wie kommt es, dass Ihr diesen Schlüssel habt?«
    Der Todesengel lachte leise. »Das sollte Euch kaum in Erstaunen versetzen«, sagte er und schob Landozzi schnell durch die Tür und in den finsteren Vorraum. »Sich einen Nachschlüssel zum Glockenturm zu besorgen ist doch eine Lappalie, wenn man Beziehungen hat und weiß, wen man schmieren muss.« Was gelogen war, hatte er den Schlüssel doch bei einem unverfänglichen Besuch in der Dombauhütte heimlich an sich gebracht, in einer eigens mitgebrachten Wachsschachtel einen Abdruck gemacht und sich von einem Dorfschmied außerhalb der Stadt ein eigenes Exemplar machen lassen. Sorgfältige Planung war der Schlüssel zum Erfolg – wie dieser Schlüssel in seiner Hand, der dem Sensale das Tor zum Tod öffnete. Wie prächtig das doch alles zusammenpasste!
    »Himmel, hier sieht man ja nicht die Hand vor Augen«, stöhnte Niccolo Landozzi ängstlich. »Und weiß Gott, was hier überall in dem Gebälk kreucht und fleucht!«
    »Wartet, das haben wir gleich! Gleich wird Euch ein Licht aufgehen«, sagte der Todesengel und kicherte über den Hintersinn seiner Worte, während er eine Handlaterne aus dem Leinenbeutel holte und den Docht in Brand setzte. Er hätte nie geglaubt, dass die tödlichen Spiele, die er mit seinen ahnungslosen Opfern spielte, ihm solches Vergnügen bereiten würden, und er erwog ernsthaft, die Rolle des strafenden Erzengels noch um einiges länger auszukosten, als seine bisherige Planung es vorsah. Nun, darüber konnte er sich zu gegebener Zeit noch Gedanken machen.
    Im schwachen Lichtschein zeichnete sich über ihnen die Treppenanlage ab, die sich an den Wänden entlang in rechten Winkeln in die finstere Höhe schraubte. Wobei die Bezeichnung »Treppenanlage« dem, was da vor ihnen lag, nicht ganz gerecht wurde. Vielmehr waren es steile Stiegen, eigentlich bessere Leitern mit schmalen Trittbrettern, über die man den Aufstieg angehen musste.
    »Bei den himmlischen Chören, da sollen wir hinauf?«, stieß der Sensale hervor und erinnerte sich plötzlich daran, wie viele dieser Trittbretter bis nach oben zu überwinden waren. Vierhundert! »Das ist ein Ding der Unmöglichkeit! Ich bin doch kein Kirchenbaumeister oder Glöckner, der an derlei Kletterei gewöhnt ist!«
    »Macht, was Ihr wollt, mein Herr Landozzi«, erwiderte der Todesengel scheinbar gleichmütig und nahm die ersten Stufen in Angriff. »Ich für meinen Teil kann mich dem leider nicht entziehen. Immerhin muss ich oben Bescheid geben, dass es Euch doch nicht drängt, das Geschäft sauber unter Dach und Fach zu bringen. Ihr findet ja sicher allein hinaus. Habt einen guten Abend und passt auf, dass Ihr dem Todesengel nicht in die Arme lauft!«
    Niccolo Landozzi zögerte kurz und rang sichtlich mit sich. Dann fluchte er leise. »Tod und Teufel, also gut, wenn es denn sein muss! Aber wartet um Gottes willen mit dem Licht! Mir ist es hier auch so schon unheimlich genug!«
    Der Todesengel lächelte und gab ihm Gelegenheit, zu ihm aufzuschließen. Dann setzte er seinen Aufstieg fort, und der Sensale blieb ihm dicht auf den Fersen, um auch ja in den Genuss des Laternenlichts zu kommen.
    Als sie etwa ein Viertel der Stiegen hinter sich gebracht hatten und der Sensale schon ordentlich schnaufte, gelangten sie auf eine kleine Plattform. Bis auf diese Höhe, besser gesagt: Tiefe reichte das Glockenseil herab, war es doch auch dem frommsten und diensteifrigsten Glöckner nicht zuzumuten, zu jeder Messe, jedem Angelusläuten und jedem Chorgebet bis unter das Dach des Campanile zu steigen. Der Arme wäre wohl schon nach wenigen Tagen solcher Tortur entkräftet zusammengebrochen.
    So führte das Seil von dieser Plattform aus hinauf zu einer Hebelanlage unter dem Turmgiebel, wo der eiserne Klöppel lag, mit dem die Glocke angeschlagen wurde. Eine Konstruktion, die der Todesengel höchst praktisch fand – nicht nur für den Glöckner, sondern auch für sein

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