Der Todesengel von Florenz
leerte, schadenfroh in sich hinein. Gleich darauf verließ er mit einem Nicken in Pater Angelicos Richtung die Werkstatt und trug die leeren Bottiche hinaus. Die Eimer des Novizen nahm er auch mit.
Pater Angelico wusste, dass er zuweilen Bruder Bartolo das Leben nicht gerade leichtmachte. Aber wo, beim heiligen Blute Christi, stand denn geschrieben, dass ein Novize es leicht haben sollte? Eher traf doch wohl das Gegenteil zu.
Wer es in der Zeit seines Noviziats nicht schaffte, die ihm vorgesetzten Kröten ohne Aufbegehren zu schlucken, würde nie zu jenem Gehorsam imstande sein, den das Mönchsleben verlangte – nicht einmal zu jener abgespeckten Version von Gehorsam, die er, Pater Angelico, trotz seiner Widerborstigkeit Vincenzo Bandelli gegenüber immerhin noch zustande brachte.
Und wer zudem nicht lernte, sich bei allzu schludrigen Gedankengängen zu ertappen, bevor er sie unbedacht hervorplapperte, wer nicht die Kraft aufbrachte, sich rechtzeitig zu korrigieren oder im Zweifel lieber zu schweigen, der hatte hinter Klostermauern ebenso wenig zu suchen. Ein Mönch musste nicht unbedingt einen scharfen und gebildeten Geist haben. Den hatten viele nicht, ohne dass das gegen sie gesprochen hätte. Aber klar und rein sollte er sein. Zumindest in der Theorie. Die Wirklichkeit in Sachen Selbsterkenntnis, geistige Beweglichkeit und Redlichkeit sah in vielen Ordenshäusern freilich anders aus. Das hatten ihn annähernd siebzehn Jahre Klosterleben gelehrt.
Mit einem nachsichtigen Lächeln, das seinen bissigen Bemerkungen die Spitze nahm, winkte Pater Angelico den Novizen heran.
Bruder Bartolo trat zu ihm an den Werktisch und sah ihm einen Moment aufmerksam zu. Die Mineralien im Mörser sahen aus wie kleine grüne Froschrücken, die von einem dichten Geflecht aus Warzen übersät waren.
»Was siehst du, Bruder Bartolo?«
»Malachit«, sagte der Novize nach kurzem Zögern.
Pater Angelico nickte zufrieden. »In der Tat, Malachit. Ein wichtiges Mineral, das man hier bei uns in den Bergen von Pistoia und Casentino in guter Qualität findet. Meist stößt man in seiner Nähe auch auf das blaue Azurit«, fuhr er in freundlichem Ton fort, während er die intensiv grün schimmernden Gesteinsbrocken mit dem schweren Stößel im Bronzemörser zertrümmerte und zu immer kleineren Brocken zermahlte. »Malachit ergibt das feinste, edelste Grün. Hier, mach du weiter.« Damit reichte er den Stößel Bartolo.
Ein freudig überraschtes Lächeln huschte über das Gesicht des Novizen. Sein Meister hatte ihn schon mit allerlei Arbeiten betraut, die zum Handwerk eines Malers gehörten, aber die Herstellung von Farbpigmenten aus Halbedelsteinen war bislang nicht darunter gewesen. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass er sich nun auch in dieser Technik üben durfte, und es versöhnte ihn mit dem Rüffel von eben.
»Leg nur gut Kraft in den Stößel, heb ihn aber zwischendurch nicht höher als eine Daumenbreite vom Boden, sonst springen Splitter aus dem Mörser und fliegen dir um die Ohren!«, wies Pater Angelico ihn an. »Zer malmen und nicht Zertrümmern ist das Ziel. Und wenn die Steine aufgebrochen und in winzige Bruchstücke zerfallen sind, bemüh dich um gleichmäßig rührende Bewegungen, ohne dabei an Kraft nachzulassen. Am Ende muss feinstes Mineralmehl den Boden bedecken, damit aus dem Malachit ein Farbpigment werden kann.«
Bruder Bartolo nickte eifrig und gab sich Mühe, die Anweisungen seines Meisters genau zu befolgen und vor allem das Hochspringen von Splittern zu vermeiden. Er merkte schnell, dass es vom harten Mineralstein zum pulverfeinen Mehl ein langer, mühsamer Weg war, für den es ordentlich Ausdauer im Arm brauchte.
Pater Angelico lachte, als er sah, wie der Novize sich mit dem linken Kuttenärmel Schweiß von der Stirn wischte. »Malachitsteine in Farbpigment zu verwandeln ist weiß Gott ein gehöriges Stück Arbeit. Mit dem Graugrün aus terra verde hat man es um ein Vielfaches leichter. Aber dafür führt Terra Verde, Grüne Erde, ein farbschwaches Erdpigment, auch das glanzlose Leben eines Dieners, der seine Arbeit im Verborgenen tut, während der Malachit sich stets herrschaftlich in Szene zu setzen weiß und der Bewunderung aller sicher sein kann.«
»Wieso ist Terra Verde nur ein Diener, der seine Arbeit im Verborgenen verrichtet, Meister?«, erkundigte sich Bruder Bartolo mit gerunzelter Stirn und hielt kurz im Stampfen inne.
Pater Angelico schätzte an seinem Novizen, dass er anstellig und voller
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