Der Todesengel von Florenz
begnügte er sich mit einem schroffen Befehl: »Ich habe mit Euch zu reden!«
»Nur zu, nur zu! Redet, ehrwürdiger Vater!«, erwiderte Pater Angelico und wandte sich gleich darauf wieder Bruder Bartolo zu. Bandelli kehrte er den Rücken zu, so als könne er ebenso gut hören, was der ihm zu sagen hatte, während er die Arbeit seines Novizen überwachte. »Nicht nur kräftig stampfen! Du musst den Stößel auch mahlend und mit Druck über den Boden des Gefäßes führen. Und dabei das Gestein gegen die Wand pressen, damit es immer kleiner und feiner wird.«
»Nicht hier! Lasst uns in den Garten gehen!« Der Prior machte eine gebieterische Geste.
Hätte er einen etwas freundlicheren Ton angeschlagen, Pater Angelico wäre ihm augenblicklich in den weitläufigen Klostergarten gefolgt und hätte sich angehört, was der Obere mit ihm besprechen zu müssen meinte. Zumal er ahnte, um welch unerquickliches Thema es ging, und es selbst vorgezogen hätte, dieses Gespräch nicht in Gegenwart seines Novizen zu führen.
Bandellis bellender Kommandoton aber, der ihn unangenehm an seinen Condottiere Bastiano Torentino erinnerte, machte diese Bereitschaft zunichte. So ließ er nicht mit sich umspringen!
»Ich würde Eurer Bitte ja gern nachkommen«, erwiderte er und vermochte sich zumindest so weit zurückzuhalten, dass er nicht auch noch sarkastisch klang, sondern völlig neutral, »aber leider ist es mir nicht möglich.«
»So? Und warum nicht?« Vier kurze Worte, die einem viermaligen Bellen gleichkamen.
»Wegen der Malachite, ehrwürdiger Vater.« Pater Angelico machte eine vielsagende Geste in Richtung des schweren Bronzemörsers.
Eine steile Falte bildete sich auf Bandellis hoher Stirn, die von einem deutlich grau durchwirkten Haarkranz rund um die Tonsur gekrönt wurde. Und in seinem Blick mischten sich Unwillen und Verständnislosigkeit.
»Euch ist ja sicher bekannt, wie teuer Malachite sind«, fuhr Pater Angelico fort – wohl wissend, dass der Prior nicht den Schimmer einer Ahnung von den Dingen hatte, die mit seinem Handwerk zusammenhingen. Nicht einmal über die grundlegenden Gegebenheiten war er unterrichtet. Die einzige Ausnahme bildeten die Preise, die man, je nach Größe, für ein Fresko oder ein Tafelbild von seiner Hand verlangen konnte. Die waren dem Prior so geläufig wie das Vaterunser. »Und ebenso sicher wird Euch bekannt sein, was geschieht, wenn man mitten im Zerstampfen der Steine innehält.«
Gar nichts , fügte er in Gedanken hinzu, während Bruder Bartolo kurz stockte und ihm einen verwunderten Blick zuwarf. Er aber setzte darauf, dass Bandelli in seiner grenzenlosen Ignoranz über diese simple Tatsache eben nicht Bescheid wusste und sich auch nicht die Blöße geben würde, dies einzugestehen – schon gar nicht vor einem Novizen.
Und er irrte sich nicht.
»Mhm, nun ja …natürlich, das … äh, das sollte wohl besser vermieden werden«, knurrte der Prior verdrossen und zog die fleischige Unterlippe zwischen die Zähne. »Aber was hindert denn Bruder Bartolo daran, mit dem Stampfen und Mahlen fortzufahren? Das wird er doch wohl können, selbst als Novize und Lehrling!«
»Wollt Ihr wirklich, dass ich unserem Novizen, der sich zum ersten Mal an diese verantwortungsvolle Arbeit wagt, das Zertrümmern der teuren Halbedelsteine überlasse, ohne ihn zu beaufsichtigen?«, fragte Pater Angelico scheinbar ungläubig zurück. »Aber gut, wenn das Euer Wille ist und Ihr das Risiko eingehen wollt, dann soll es so sein, ehrwürdiger Vater.« Dabei warf er in einer Ich-wasche-meine-Hände-in-Unschuld-Geste beide Hände in die Luft und machte Anstalten, sich vom Werktisch abzuwenden. »Also dann, lasst uns in den Garten gehen.«
Man konnte dem Prior förmlich ansehen, wie es hinter seiner hohen Stirn arbeitete und er sich schnell eines anderen besann. »Wartet!«, rief er mit säuerlicher Miene und kam nun seinerseits auf Pater Angelico zu. »Wenn Ihr meint, Bruder Bartolo bei der Arbeit an den Malachiten im Auge behalten zu müssen, dann solltet Ihr das tun. Wir können die Angelegenheit auch hier bereden.«
Demütig neigte Pater Angelico den Kopf. »Ganz wie Ihr meint, ehrwürdiger Vater.«
Der Prior blieb zwischen erstem und zweitem Bogenfenster stehen, als hätte er damit das ihm mögliche Maximum an Entgegenkommen im wahrsten Sinne des Wortes erreicht.
Pater Angelico wollte es nicht auf die Spitze treiben und ging ihm die restlichen zwei Schritte, die sie noch trennten, entgegen. So groß
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