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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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leer – abgesehen von dem gedrungenen, glatzköpfigen Wirt, der hinter der Theke stand, sich nervös die Lippen leckte und unablässig die Knochen seiner Finger knacken ließ. Und natürlich commissario capo, Chef der Geheimpolizei von Santa Croce, der in der Otto di Guardia der primus inter pares war.
    Commissario Scalvetti saß an einem Tisch vor dem Kamin, in dem laut prasselnd ein stattliches Feuer brannte. Der Wirt musste in der brusthohen Ummauerung der Feuerstelle ganze Berge von Scheiten aufgeschichtet haben, die jetzt unter dem Ansturm der lodernden Flammen knackten und zischten.
    Der Feuerschein hob die hagere Gestalt des Commissario aus dem klammen Dunkel des Schankraums, dessen Schlagläden zur Straße hin noch geschlossen waren und in dem auch weder Öllicht noch Kerze brannten. Es sah aus, als leckten Feuerzungen über Scalvettis asketisches Gesicht mit den hohen Wangenknochen, das wie ein altes Stück Treibholz von scharfen Linien durchzogen war. Er hatte dunkle Schatten unter den Augen, deren Blick durchdringend sein konnte wie Messerstiche, und er sah müde aus und grau wie die Kleidung seiner Sbirri.
    Reglos starrte er ins Feuer. Sein schwarzer Tuchumhang mit der schmalen goldenen Lilienborte am Saum war staubbedeckt. Aus schwarzem Wolltuch waren auch das abgesteppte Wams und die Beinkleider gearbeitet, die in gleichfalls schwarzen, dreckbespritzten Reitstiefeln steckten. An seinem Schwertgehänge hing in einer mit Silberdraht kunstvoll verzierten Scheide die squarcina, das handliche Kurzschwert. Vor ihm auf dem Tisch standen ein bauchiger Steingutkrug, ein Zinnbecher und eine Schale mit gerösteten Kastanien. Aus der Öffnung des Kruges stieg Dampf auf, und der unverkennbare Duft von heißem Gewürzwein stieg Pater Angelico in die Nase.
    Bruder Bartolo murmelte etwas, das wie »Ich warte hier« klang, und blieb an der Theke stehen, während sein Meister sich zu Scalvetti an den Tisch begab.
    » Pax vobiscum, Commissario.«
    »Setzt Euch, padre «, entgegnete der Commissario mit der ihm eigenen Direktheit, ohne den Gruß des Dominikaners zu erwidern oder auch nur den Blick vom Feuer zu wenden. Von Konventionen hielt er nicht viel, und seine außergewöhnliche Stellung erlaubte es ihm, darauf zu pfeifen, was andere von seinen Manieren hielten.
    »Verzeiht, aber wenn es Euch nichts ausmacht, wäre es mir lieber, Ihr würdet mich unverzüglich zu meinem toten Klosterbruder bringen und mir mitteilen, welcher Art von Verbrechen Pater Nicodemo zum Opfer ge…«
    Der Commissario ließ ihn nicht ausreden. »Setzt Euch, Pater!«, wiederholte er mit Nachdruck. »Für die Sterbesakramente kommt Ihr zu spät, und der Tote läuft Euch nicht weg. Ihr gelangt noch früh genug zu Eurem Klosterbruder. Seine Seele hat längst den ihr vorbestimmten Weg genommen, und seine sterbliche Hülle wird gut bewacht. Wozu also die Eile?«
    Dass der Commissario kein Wort des Bedauerns über den Mord an dem Klosterbruder äußerte, verwunderte Pater Angelico nicht. Tiberio Scalvetti ging mit Gefühlsäußerungen so sparsam um wie ein Medicus mit den hochgiftigen Bestandteilen mancher Arzneien. Und für seichtes Geplauder, Allgemeinplätze oder Sentimentalitäten war er noch viel weniger zu haben.
    Es musste also einen triftigen Grund dafür geben, dass Scalvetti nicht am Tatort auf ihn gewartet hatte und ihn nun aufforderte, sich zu ihm zu setzen. Andererseits: Scalvetti war kein leicht zu durchschauender Mann. Vielleicht war er nach seinem langen Ritt auch nur müde und nicht gewillt, so schnell wieder aufzuspringen und sich von dem wärmenden Kaminfeuer zu trennen.
    Pater Angelico seufzte. »Also gut, um der Liebe Christi willen sollt Ihr Euren Willen bekommen«, brummte er, zog einen Stuhl heran und setzte sich.
    Tiberio Scalvetti ging auf die Bemerkung nicht ein. Stattdessen klopfte er mit seinem Becher dreimal hart auf die Tischplatte, damit der Wirt zu ihnen herübersah. Und als der Glatzkopf reagierte, bedeutete er ihm, dass er einen zweiten Becher bringen sollte.
    »Ihr scheint die Nacht im Sattel verbracht zu haben«, sagte Pater Angelico mit fragendem Unterton in Scalvettis finsteres, brütendes Schweigen hinein.
    Der Commissario nickte. »Es ist noch keine Stunde vergangen, seit ich aus Perugia zurück bin.«
    »Perugia? Seit wann treibt Euch die Verteidigung der Freiheit unserer stolzen florentinischen Republik hinüber nach Umbrien?«, fragte Pater Angelico mit einem Anflug von Spott.
    »Seit die Feinde unserer

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