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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Republik nach der gescheiterten Pazzi-Verschwörung im April 1478 wieder Morgenluft wittern und sich mit neuen Plänen zu einem blutigen Umsturz tragen«, antwortete Tiberio Scalvetti.
    Pater Angelico wusste, worauf der Commissario anspielte. Lorenzo de’ Medici und seine Parteigänger herrschten zwar noch immer über Florenz und hielten so gut wie alle wichtigen Staatsämter mit ergebenen Gefolgsleuten besetzt. Aber Il Magnifico litt von Jahr zu Jahr mehr unter der heimtückischen Gicht, die schon die meisten männlichen Medici vor ihm befallen, nach und nach zu Krüppeln gemacht und früh ins Grab gebracht hatte. Inzwischen fesselte die Krankheit, die mit großen Schmerzen verbunden war, auch Lorenzo immer häufiger und für immer längere Zeitspannen ans Bett. In der Stadt kursierten hier und da schon Gerüchte, Lorenzo habe nach Einschätzung seiner Ärzte nicht mehr länger als ein, zwei Jahre zu leben.
    Da verwunderte es nicht, dass einige der in der Verbannung lebenden florentinischen Nobili, die ihre Reichtümer ins Exil hatten hinüberretten können, in der Hoffnung auf baldige Rückkehr und Machtübernahme dunkle Pläne schmiedeten.
    »Ich denke, Ihr von der Otto di Guardia habt überall Eure Zuträger und Agenten, die dafür sorgen, dass die in der Verbannung lebenden florentinischen Familien dem Haus der Medici nicht gefährlich werden. Und ich dachte, Ihr habt Eure Leute nicht nur hier in der Heimat, sondern überall in Italien.«
    »Das mag so sein, aber gelegentlich ist es ratsam, sich in die Höhle der Hyänen zu begeben und selbst Hand anzulegen«, erwiderte Tiberio Scalvetti trocken.
    Dem Mönch stellten sich die Nackenhaare auf. Wenn jemand wie Scalvetti in diesem Zusammenhang von »Hand anlegen« sprach, war das meist im Wortsinn zu verstehen. Wobei in der Hand zweifellos eine Klinge oder eine andere tödliche Waffe gelegen hatte.
    Tiberio Scalvetti, der ahnte, was seinem Gegenüber durch den Kopf ging, verzog das Gesicht zu einem freudlosen Lächeln. »Was passiert, wenn in einem Staat die Ausbeuter vertrieben sind, Pater?«, fragte er scheinbar ohne jeden Zusammenhang.
    Pater Angelico zuckte die Achseln. »Das Volk feiert?«
    »Anzunehmen, es feiert ja auch jede Hinrichtung wie ein Volksfest«, bemerkte Tiberio Scalvetti. »Was aber ganz sicher eintritt, ist, dass die befreiten Ausgebeuteten sich bald wieder in Ausbeuter und Ausgebeutete aufteilen. Und das ist kein Zynismus, wie Ihr vielleicht unterstellt, sondern die nüchterne Erkenntnis, zu der gelangt, wer sich die Vergangenheit anschaut.«
    Pater Angelico nickte, wenn auch widerwillig. Scalvetti hatte recht, ob ihm das gefiel oder nicht.
    »Der Pöbel folgt nun mal nicht dem, der ihn heilt, sondern dem, der ihm Drogen gibt«, fügte der Commissario ungerührt hinzu.
    Der Wirt brachte den gewünschten zweiten Becher. Schweißperlen glitzerten auf seinem kahlen Schädel und auf der Oberlippe. Er dienerte auf eine verkrampft beflissene Art und zog sich eilig wieder hinter seine schützende Theke zurück, wo er sich erleichtert mit einem alten Lappen über Gesicht und Stirn fuhr, so als sei er nur knapp der Ergreifung und Verschleppung in einen Folterkeller der Otto di Guardia entkommen.
    Der Commissario füllte beide Becher mit heißem Gewürzwein und schob den, den der Wirt gerade gebracht hatte, dem Dominikaner zu.
    Pater Angelico schüttelte den Kopf. »Nehmt es nicht persönlich, aber ich mache mir nichts aus Wein, der mit allerlei Gewürzen aufgekocht und fast immer übermäßig mit Honig gesüßt worden ist«, erklärte er höflich. »Ist solch ein Trank mit gutem Wein gemacht, betrachte ich das als unverzeihliche Sünde. Besteht seine Grundlage dagegen aus dem Verschnitt von billigem Fusel, ist man erst recht gut beraten, die Finger davon zu lassen.«
    Ein mitleidiges Lächeln erschien auf Scalvettis knochigem Gesicht. »Im Prinzip stimme ich Euch zu, Pater. Aber dieses Gesöff hat solide, kräftige Beine und weiß einen nervösen Magen, den nichts Gutes erwartet, im Zaum zu halten. Dafür habe ich gesorgt, Ihr habt mein Wort darauf. Und da Ihr gut beraten sein wollt, lasst Euch außerdem sagen: Trinkt mehr als nur einen kräftigen Schluck von diesem Wein, bevor ich Euch zu Eurem toten Klosterbruder bringe!«
    Pater Angelico warf ihm einen irritierten Blick zu, lachte dann aber trocken und hieb sich mit beiden Händen auf den Leib, der sich zwar nicht mit dicken Fettpolstern hervortat, aber doch kräftig zu nennen war. »Eure Sorge

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