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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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es vor, diesen Gedanken nicht weiter zu verfolgen, seufzte tief und wich einem schweren Ochsengespann aus, das aus der Via Pietra Piana auf die breite Kreuzung mit der Via del Fosso rumpelte; das klobige Fuhrwerk, beladen mit in Stroh verpackten Töpferwaren, war gewiss auf dem Weg zu einem der vielen Märkte.
    Es kam nur langsam voran, drängte doch das Volk um diese Zeit, kurz nach der Morgenmesse, in Scharen auf die Gassen, Straßen und Plätze. Aus dem weiteren Umland traf zu dieser Stunde die Nachhut der contadini, des Landvolkes, mit ihren Erzeugnissen ein, hinzu kamen reisende Quacksalber und Fahrensleute, Kaufleute aus fremden Städten und Ländern, berittene Edelleute samt Gefolge, langbärtige Wanderprediger, Pilger in rauen Bußgewändern, Handelskuriere und kirchliche Legaten, arbeitslose Landsknechte und zwielichtiges Gesindel.
    Zugleich strömte aus den Patrizierhäusern und herrschaftlichen Palazzi der popolo grasso auf die Straßen, das »fette Volk«, wie die Nobili und Grandi auch genannt wurden: einheimische Großkaufleute und Bankherren sowie ihre selbstgefälligen Söhne, die meisten in edelsten Gewändern und mit federgeschmückter Kappe auf dem stolz erhobenen Haupt.
    Die einen machten sich auf den Weg zu ihrem fondaco, ihrem Handelskontor, andere wurden im Palazzo della Signoria zur Ratssitzung eines der vielen Regierungsgremien erwartet. Wieder andere hatten im Haus ihrer Gilde zu tun, Verabredungen mit Freunden, Bauunternehmern, Maklern und Notaren einzuhalten oder Geschäfte und Einkäufe zu tätigen, die sie weder einem Hausdiener noch einem Sekretär überlassen wollten oder konnten.
    In dem farbenfrohen Meer der Roben aus feinstem florentinischen Tuch und Samt und Seide, in dem herrschaftliches Rot dominierte, schwammen auch nicht wenige schwarze Soutanen von einheimischen Pfarrpriestern sowie grob gewebte weiße, graue und schwarze Ordenskleider von Dominikanern, Zisterziensern, Franziskanern und Augustinern, deren Konvente und Kirchen nicht nur durch ihre schiere Zahl das Bild der Stadt beherrschten, sondern auch in allen theologischen Belangen in Florenz den Ton angaben.
    Dazu gesellte sich ein nicht weniger buntes Heer aus Bütteln, Schreibern mit dem obligatorischen Tintenfass und der Ledertasche für ihre Federkiele am Gürtel, livrierten Lakaien und gewöhnlichen Dienstboten und Mägden, die für ihre Herrschaft unterwegs waren. Überall wimmelte es von Ausrufern, Lastenträgern, Handwerkern, Fuhrleuten, Bauarbeitern, herumlungernden Straßenjungen und zerlumpten Tagelöhnern, die hofften, Arbeit zu finden.
    Für die herausgeputzten Ehefrauen und Töchter von Stand, die sich nach strenger Florentiner Sitte nur in Begleitung von Dienerinnen oder Angehörigen in der Öffentlichkeit zeigten, war es dagegen noch zu früh – und für die nicht weniger elegant und aufwendig gekleideten Kurtisanen ebenso.
    Für die einfachen Leute wie die Wollschläger, Kämmer, Färber und Waschfrauen, die so beengt in den schmalbrüstigen mehrstöckigen Mietshäusern lebten, hatte die Arbeit dagegen schon beim ersten Tageslicht begonnen. Das Klappern ihrer Holzsandalen, der zoccoli, war schon durch Straßen und Gassen gehallt, bevor die Stadttore geöffnet wurden. Gleiches galt für das geräuschvolle Aufstoßen der Schlagläden vor den Fenstern und das Knarzen, Quietschen und Knallen der Ladentüren und Gitter vor den Werkstätten, Geschäften und Schenken zu ebener Erde.
    Die lärmende Betriebsamkeit und das lebhaft bunte Straßenbild, das in den frühen Morgenstunden ein wahres Fest fürs Auge war – zumal unter einem sonnig klaren Himmel wie an diesem Februartag –, stimmten Pater Angelico für gewöhnlich mit ihrer geradezu ansteckenden Energie überaus froh und belebten ihn.
    An diesem Tag jedoch spürte er nichts davon. Wie er auch kein Auge für die prächtigen öffentlichen Bauten und majestätischen Gotteshäuser hatte, an denen sie auf ihrem Weg zum Fluss vorbeikamen. Was er sah, waren die Brutstätten der Gewalt und des Elends in den krummen Gassen mit ihren schäbigen Mietshäusern, die rissigen Fassaden, der Dreck auf den buckligen Pflastersteinen, die barfüßigen Straßenkinder und das alltägliche Elend der Ärmsten der Armen, die zerlumpt, ausgezehrt, verkrüppelt auf Almosen warteten – und mit ihren Bettelschalen und frommen Bittsprüchen doch nur selten das Herz eines reichen Signore zu erweichen und seinem Geldbeutel eine kleine Münze zu entlocken vermochten.
    Die Grandi und

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