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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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auch du eine Stärkung gebrauchen!«

15
    B ring uns einen Krug Roten und einen Teller pane sardo, Botticello!«, rief Pater Angelico dem Wirt zu, kaum dass sein Novize und er den Schankraum betreten hatten.
    Der glatzköpfige, kurzbeinige Wirt, der eben erst die schweren hölzernen Schlagläden vor seiner Trattoria entriegelt und aufgeschoben hatte, wieselte trotz seiner enormen Leibesfülle flink im Schankraum umher, um alles für die ersten Gäste vorzubereiten, mit denen in etwa einer Stunde zu rechnen war.
    Der Florentiner nahm nämlich pro Tag nur zwei Mahlzeiten ein, und so hielten es auch die meisten anderen Landsleute auf der italienischen Halbinsel. Etwa um die dritte Tagesstunde setzte man sich zum desinare, und die zweite Mahlzeit des Tages, die cena, fiel in der Regel mit dem Sonnenuntergang zusammen. Während der Sommerzeit, wenn die Tage besonders lang waren, gönnten sich manche zwischendurch noch eine Brotzeit, was jedoch bei besonders sittenstrengen Bürgern verpönt war. »Mehr als zweimal am Tag zu essen heißt leben wie das Vieh«, geißelten sie eine derartige Maßlosigkeit.
    Beim Klang von Pater Angelicos Stimme hielt Botticello in seinen Vorbereitungen inne und fuhr zu ihnen herum. »Padre? Gütiger Gott, Ihr seid es wirklich! So früh habe ich Euch ja noch nie bei mir gesehen!«
    »Und Ihr fragt auch besser nicht nach dem Grund!«, beschied ihn der Malermönch knapp. Er stand mit Botticello, der eigentlich Pantaleone Barberino hieß, aber von allen, die ihn kannten, wegen seiner fassartigen Gestalt nur bei seinem trefflichen Spitznamen genannt wurde, auf freundschaftlichem Fuß. Aber an diesem Morgen verspürte er nicht das geringste Verlangen, sich mit dem Wirt auf seichtes Geplauder einzulassen, geschweige denn, ihm von dem Mord an seinem Klosterbruder und der Schändung der Leiche zu erzählen. Die schreckliche Geschichte würde auch so schnell genug die Runde machen und zweifellos auch ihren Weg ins Giardino finden.
    »Bei den Leiden des Herrn, nichts könnte mir ferner liegen, als Euch mit Fragen zu bedrängen!«, versicherte Botticello besorgt, als er die blassen, von Erschütterung gezeichneten Gesichter seiner beiden frühen Gäste sah.
    »Natürlich nicht, Botticello. Dir sind doch Neugier und Redseligkeit so fremd wie einem Wüsteneremiten«, gab Pater Angelico zurück und hielt auf die Tür zu, die hinaus in den Garten führte.
    »Ihr wollt Euch nach draußen setzen?«, stieß Bruder Bartolo ungläubig hervor.
    »Warum nicht?«, fragte Pater Angelico über die Schulter zurück und stieß die Tür auf. »Die Sonne scheint, was es zu nutzen gilt. Und was unser Wollumhang an Wärme womöglich nicht hergibt, wird der kräftige Rote allemal wettmachen. Nicht zuletzt regt frische Luft um die Ohren das Denken an.«
    »Heute Morgen hätte ich nichts dagegen, eine Zeitlang davon verschont zu bleiben«, murmelte der Novize und folgte ihm widerwillig hinaus in jenen Teil des Giardino, der Botticellos Trattoria ihren Namen gegeben hatte.
    Der gerade mal zwölf Schritte breite und etwa doppelt so lange Streifen Garten mit seinen beiden Olivenbäumen erstreckte sich zum Fluss hin und bot einen schönen Ausblick auf den Arno und die Steinbögen der nahen Brücke Santa Trinità. Zur rechten Seite hin wurde er von der nackten, rissigen Wand eines vierstöckigen Wohnhauses begrenzt, und linker Hand, zur Straße hin, erhob sich eine mannshohe, efeuberankte Backsteinmauer.
    Sie setzten sich an einen der Tische, die in der Sonne standen, und schon wenige Augenblicke später brachte Botticello zwei irdene Becher und einen Krug dunklen Rotwein. Wortlos stellte er Becher und Krug auf die Tischplatte aus grob behauenen, verwitterten Bohlen. Es kostete ihn sichtlich Selbstbeherrschung, nicht doch eine Frage zu stellen. Man sah es ihm förmlich an, sah das Zucken in den Lippen, als müsse er die Frage wenigstens tonlos loswerden. Doch am Ende gelang es ihm, seinen inneren Drang im Zaum zu halten und sich wortlos zu entfernen.
    Pater Angelico füllte beide Becher randvoll. »Trink!«, forderte er seinen blassgesichtigen Novizen auf. »Und runter damit! Auf einen Zug!«
    Bruder Bartolo sah seinen Meister zweifelnd an, folgte dann aber dessen Beispiel und leerte seinen Becher, ohne abzusetzen.
    Wortlos griff Pater Angelico zum Krug, schenkte nach und bedeutete dem Novizen mit einem Handzeichen, dem ersten kräftigen Schluck einen zweiten folgen zu lassen.
    »Bei den himmlischen Chören«, keuchte Bruder Bartolo

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