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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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dass es eine solche gibt.«
    »Dann erleuchtet mich, Pater!«
    »Schauen wir uns doch den einigermaßen lesbaren Rest an«, sagte Pater Angelico und gab sich Mühe, bis auf die römischen Ziffern alles zu ignorieren. »Sicher ist, dass hinter der dritten Zahl – die erste, undeutliche mit eingerechnet – gemäß dem römischen Rechensystem das Komma hinter der Kapitelangabe sitzen muss, was XI ergibt. Die restlichen fünf Zahlen ergeben dann mit XXXIV den Vers.«
    Tiberio Scalvetti nickte. »Also die Elf ist Teil der Kapitelzahl, und die Vierunddreißig bezieht sich auf den Vers«, fasste er zusammen. »Nur dass vor der Elf eben noch eine Zahl steht.«
    »Das dürfte aber schnell zu klären sein, denn bei der fehlenden ersten Zahl kann es sich eigentlich nur um ein M, ein L oder ein weiteres X handeln. Dazu bräuchten wir allerdings eine Bibel.«
    Der Commissario schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Natürlich! Wo war ich bloß mit meinen Gedanken? Mir fehlt es doch mehr an Schlaf, als ich dachte!« Er wandte sich zu seinem Caporale um. »Gualberti! Ist die Bibel endlich da?«
    »Ich sehe nach, ob Giovanni schon zurück ist«, antwortete der Scherge und hastete hinaus.
    Und zu Pater Angelico sagte Scalvetti: »Ich habe einen meiner Männer beauftragt, eine Bibel aus dem Bargello zu bringen. Zum Teufel, wo steckt der Bursche bloß? Er wird doch wohl nicht den Weg über die nächste Schenke genommen haben!«
    Kurz darauf kehrte Gualberti mit dem schweren, in kostbares Leder gebundenen Folianten zurück und legte ihn auf einen der Werktische linker Hand.
    »Lasst uns zuerst bei Lukas nachschauen. Ich vermute, dass wir dort auf die richtige Stelle stoßen«, sagte Pater Angelico, schlug die Bibel auf und fand mit sicherem Griff das Lukasevangelium. »Nehmen wir einmal an, es handelt sich bei der unkenntlichen Zahl um ein weiteres X, dann wäre Kapitel einundzwanzig gemeint.« Er fuhr mit dem Finger über die Seite und verharrte dann beim vierunddreißigsten Vers jenes Kapitels. »Heureka!«
    Tiberio Scalvetti blickte ihm über die Schulter und las laut mit: »Adtendite autem vobis ne forte graventur corda vestra in crapula et ebrietate et curis huius vitae et superveniat in vos repentia dies illa!«
    Pater Angelico drehte sich nach seinem Novizen um, winkte ihn heran und sagte: »Zeig uns, wie gut dein Latein ist. Übersetze uns den Vers!«
    Auf schwankenden Beinen trat Bruder Bartolo zu ihnen, beugte sich über die Bibel und übersetzte mit halbwegs fester Stimme: »Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und … und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht.« Und dann fügte er ein lahmes »So in etwa« hinzu.
    Pater Angelico nickte wohlwollend. »An deiner Übersetzung ist nichts auszusetzen.«
    »Nun, der Tag ist hier in der Tat sehr schnell über Bartolomea gekommen, wenn auch weitaus dramatischer, als Lukas seine Warnung wohl verstanden wissen wollte«, sagte Scalvetti. »Gut denn! Damit passen hier alle Teile zusammen. Ich danke Euch, dass Ihr meinem beschämend müden Geist auf die Sprünge geholfen habt, Padre. Felix, qui potuit rerum cognoscere causas! « Glücklich, wer den Dingen auf den Grund sehen kann.
    »Nicht der Rede wert, Commissario«, wehrte Pater Angelico ab. »Aber vielleicht könnt Ihr Euch erkenntlich zeigen. Ich hätte etwas mit Euch zu bereden, das meinem Prior besonders am Herzen liegt.«
    »Mit Vergnügen! Lasst uns das aber bei einem Krug Wein in der Colombina tun! Ihr seid natürlich mein Gast«, erwiderte Tiberio Scalvetti sofort. »Ich denke, den haben wir uns verdient, was meint Ihr?«
    »Es bedarf keiner besonderen Überredungskunst, mich da zum Mitkommen zu bewegen«, versicherte der Malermönch, während von der Straße laute Stimmen zu ihnen in die Werkstatt drangen.
    »Gualberti, sieh nach, was der Krawall da draußen zu bedeuten hat!«, befahl der Commissario. »Wenn sich da mal wieder Gaffer versammelt haben, jagt sie schleunigst zurück in ihre Häuser!«
    »Sehr wohl, Signore!«
    Sobald der Caporale die Werkstatt verlassen hatte, räusperte Bruder Bartolo sich vernehmlich. »Meister, auf ein Wort, wenn Ihr erlaubt?«
    Beide Männer drehten sich zu ihm um.
    »Ja?«, fragte Pater Angelico.
    »Verzeiht, aber mir ist etwas aufgefallen, als ich … nun, als ich mich erst einmal setzen und mich … mich fassen musste«, sagte der Novize, immer noch verlegen ob seines Anfalls von Schwäche.
    »Nur zu!

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