Der Todesengel von Florenz
treffliche Idee. Sie ist so gut, dass sie eigentlich von mir hätte kommen müssen!«, rief er schließlich, sichtlich hin- und hergerissen zwischen Ärger über seinen an diesem Abend bestürzend trägen Geist und Begeisterung angesichts des findigen Novizen und seiner Vorschläge. »Also gut, ich sehe dir noch einmal nach, dass du mich bis auf die Knochen blamiert hast. Das heißt, genau genommen habt Ihr das beide getan, Tod und Teufel auch! Seid bloß froh, dass mein Caporale draußen nach dem Rechten sieht und nicht Zeuge meiner Blamage geworden ist!« Sein Augenzwinkern verriet jedoch, dass nicht eine Unze echten Grolls in ihm war.
Pater Angelico lachte über das ganze Gesicht. »Da schließe ich mich doch an. Man sieht und hört, dass du bei mir schon mehr gelernt hast, als ich vermutet habe!«
»Ihr seid zu gütig, Meister.«
»Aber glaub nicht, dass mir das zur Gewohnheit wird«, warnte ihn Pater Angelico. »So, und nun mach dich an die Arbeit. Lauf in meine Werkstatt und hol, was du benötigst, um hier gute Abdrücke herzustellen. Eine Säge brauchst du nicht mitzubringen. Wie ich sehe, hängen dort drüben mehrere an der Wand.«
Der Novize strahlte vor Freude darüber, dass sein Meister ihn mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraute. »Ihr werdet mit mir zufrieden sein!«
»Das will ich hoffen!«
»Meint Ihr nicht, dass Euer Novize es verdient hätte, mit uns auf einen Umtrunk in die Colombina zu gehen?«, gab Tiberio Scalvetti zu bedenken.
Pater Angelico winkte ab. »Ach was, der Bursche ist von all dem Lob, das er gerade eingeheimst hat, doch jetzt schon halb besoffen. Darauf noch Wein zu gießen käme der Todsünde Maßlosigkeit schon sehr nahe«, erwiderte er. »Also, lasst uns gehen!«
24
D ie Colombina war eine der ehrbaren Schankstuben in Santa Croce. Was dort aus Küche und Fässern kam, war von gleichbleibend guter Qualität, ohne dass der Wirt einen mit überzogenen Preisen übers Ohr haute, wie es in vielen der Tavernen rund um den Priorenpalast auf der Piazza della Signoria häufig der Fall war. Auch wurde einem Wein oder Bier nicht in groben, angestoßenen Humpen aus Ton oder Stein vorgesetzt, sondern kam in wohlgeformten Zinnbechern. Und statt in plumpen Holzschalen wurde einem das Essen hier auf richtigen Tellern serviert, die ebenfalls aus Zinn oder aus Steingut gearbeitet waren. Auch saßen hier nicht alle Gäste auf langen harten Holzbänken oder Schemeln, sondern der Wirt hatte Stühle mit lederner Sitzfläche und ebensolchem Rückenteil angeschafft. Kurzum: die Colombina war ein Ort, an dem man es sich in jeder Hinsicht gutgehen lassen konnte.
Tiberio Scalvetti hatte seinen Stammplatz, einen kleinen Tisch mit nur zwei einander gegenüberstehenden Stühlen, am Erkerfenster direkt neben dem Eingang. Von dort aus hatte er einen ungehinderten Blick nicht nur auf die Tür des Lokals, sondern auch auf die Kreuzung der Via Pelacani und Via Ghibellina. Bequemer konnte man als Mitglied der Otto di Guardia das Kommen und Gehen der Leute nicht im Auge behalten, und wann war man als Commissario schon einmal nicht wachsam!
Keiner der Einheimischen aus dem Viertel wagte es, sich in den Erker zu setzen. Und wenn jemand, der mit den ungeschriebenen Gesetzen in diesem Teil der Stadt nicht vertraut war, es dennoch tat, dann war Vittore Farnese, der stämmige Wirt, rasch zur Stelle und sorgte dafür, dass derjenige sich entweder einen anderen Platz in seiner Stube suchte oder sich wieder davonmachte.
Der Commissario brauchte keine Bestellung aufzugeben. Kaum hatten Pater Angelico und er Platz genommen, brachte Luca, der schlaksige Tavernenjunge, ihnen auch schon einen Krug mit dunklem Rotwein und zwei Becher.
Anerkennend hob Pater Angelico die Brauen, als Tiberio Scalvetti die Zinnbecher füllte und er mit Kennerblick den Wein an seiner dunklen Farbe erkannte. Er funkelte wie flüssiger Rubin im Licht der schmiedeeisernen Öllampen, die von den Deckenbalken hingen. »Ah, Carmignano! Ihr müsst schon einige meiner Schwächen kennen.«
»Und zwar Carmignano von der besten Sorte, Padre! Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken«, erwiderte Tiberio Scalvetti.
»Ihr sprecht mir aus der Seele!«
Den ersten Becher tranken sie schweigend und mit stillem Genuss.
»Nun, dann lasst hören, um welche Gefälligkeit Ihr mich bitten wollt«, sagte der Commissario schließlich, während er ihre Becher ein zweites Mal füllte.
Der Mönch verzog das Gesicht zu einer unglücklichen Miene
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