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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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betörend aus, Donzella«, entfuhr es ihm, bevor ihm bewusst wurde, was er da sagte.
    »Aber wohl leider nicht so betörend, dass auch ich neue Hoffnung schöpfen dürfte, nicht wahr?«, erwiderte sie leise und bedachte ihn mit einem Blick, der ihre Gefühle einmal mehr offenbarte und ihm tief ins Herz schnitt.
    Hitze stieg ihm ins Gesicht. Ihm war, als brenne er unter dem stummen Flehen ihrer Augen. Plötzlich war das Verlangen, sie zu berühren, über die glatte Haut ihrer Wangen zu streichen und mit den Fingerspitzen den geschwungenen Linien ihrer vollen, rosigen Lippen zu folgen, nahezu übermächtig. Sein Herz raste und pochte bis hinauf in den Hals. Nicht ein Wort brachte er hervor – was auch nicht nötig war.
    Ihm war, als sei die Zeit zum Stillstand gekommen und jedes Geräusch der Welt schlagartig verstummt. Und in diesem magischen Zustand gefühlter Ewigkeit wollten ihre Blicke einfach nicht voneinander lassen.
    Schritte und Stimmen unten in der Halle, die rasch näher kamen, brachen den Bann. Es waren die Hausdiener, die die Malutensilien brachten.
    Pater Angelico wünschte sie zum Teufel. Warum mussten sie ausgerechnet jetzt unter Beweis stellen, dass sie anzupacken wussten und ihren Lohn wert waren?
    Ein kurzer, kaum merklicher Ruck ging durch Lucrezia. Ihr brennender Blick zog sich hinter einen Schleier höflicher Reserviertheit zurück. Sie räusperte sich, als müsse sie sich erst ihrer Stimme vergewissern, bevor sie ihn wieder ansprach. »Nun, dann will ich Euch nicht länger aufhalten. Ihr habt gewiss Wichtigeres zu tun, als mit einer angehenden Nonne zu plaudern«, sagte sie und legte flüchtig und scheinbar gedankenlos eine Hand auf seinen Arm, der, vom Kuttenärmel halb entblößt, unter dem Skapulier hervorschaute.
    Die Berührung traf ihn wie ein Blitz, der durch seinen gesamten Körper fuhr, und wühlte ihn beinahe noch mehr auf als kurz zuvor ihr Blick.
    Lucrezia war schon längst an ihm vorbei, als er noch immer wie gelähmt auf der Treppe stand und um Fassung rang. Erst die Hausdiener, die hinter ihm heraufgestiefelt kamen, sorgten dafür, dass er sich aus der Starre befreite. In kopfloser Hast brachte er die letzten Stufen ins Obergeschoss hinter sich, stürzte in die Hauskapelle und riss eines der Fenster auf, auf dass die kalte Morgenluft sein brennendes Gesicht kühle. Das Brennen in seinem Innern aber konnte sie nicht lindern.
    Bruder Bartolo staunte nicht schlecht, als er sah, mit welch geradezu wütender Tatkraft sein Meister sich an diesem Morgen an die Arbeit machte. Er konnte den Intonaco für die giornata, den Feinputz für den Tagesabschnitt an Freskomalerei, gar nicht schnell genug auftragen. Die Vorzeichnung der Paradiesszene – zuvor auf einem Cartone angefertigt, mit einem Griffel unter Druck durch die Vorlage auf den Rauputz übertragen und dann zart mit einem Rötelstift nachgezogen – befand sich schon an der Wand. Nun hieß es schnell arbeiten, solange der Feinputz noch feucht genug war. Nur so konnte die Farbe tief genug einziehen und haltbar werden.
    Pater Angelico begann, Eva in paradiesischer Nacktheit zu malen, und arbeitete mit einem geradezu ungestümen Eifer, ja fast schon besessen, ohne dass dabei jedoch die Genauigkeit von Form und Farben oder die plastische Darstellung der Figur gelitten hätte. Bruder Bartolo, der ihm mit Handreichungen zur Seite stand, kam aus dem Staunen nicht heraus. Es beeindruckte ihn tief, wie es seinem Meister gelang, die Gestalt der Eva auf der Wand mit einem rasenden Wirbel von Pinselstrichen lebendig werden zu lassen. Ihm schien es, als habe Pater Angelico jeden feinsten Strich, jede Schattierung und jedes Haar am Körper der Frau schon seit langem im Kopf und müsse nur noch seiner Hand freien Lauf lassen, um das Bild aus seinem Kopf auf den Feinputz zu bringen.
    Etwa eine Stunde vor dem Angelusläuten war der letzte Strich gesetzt, und Pater Angelicos Eva schaute ihnen, einen prächtigen Apfel in der leicht erhobenen Rechten, von der Wand entgegen. Sie schien dort regelrecht zum Leben erwacht, so als könne sie sich jeden Augenblick aus dem Putz lösen und zu ihnen treten.
    »Heilige Muttergottes, Eure Eva ist Donzella Lucrezia wie aus dem Gesicht geschnitten!«, rief Bruder Bartolo bewundernd.
    »Wie der Vater es wollte«, murmelte Pater Angelico und schmiss den Pinsel hinter sich auf einen der Tische.
    »Bei Gott, wenn man sich Eure Eva so ansieht, dann könnte man wahrlich versucht sein …« Der Novize konnte sich gerade

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