Der Todesengel von Florenz
gut und nehmt Euch der Sache an. Ihr wisst ja, es geschieht alles …«
»… per bene di commune «, beendete der Mönch den Satz für ihn und verzog das Gesicht. Für das Wohl der Kommune! Diese Rechtfertigung musste immer herhalten, wenn die Mächtigen der Republik etwas beschlossen, das dem Volk schwere Lasten auferlegte, ihnen selbst aber zum persönlichen Vorteil gereichte. »Dieser Spruch hat mich noch nie überzeugen können, und er tut es auch jetzt nicht.«
»Gut, dann handelt aus eigenem Interesse. Ihr wollt doch auch, dass der Mörder Eures Klosterbruders gefasst und seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Und hat Euer Prior Euch nicht ans Herz gelegt, seinen Namen und den Eures Klosters von der bösartigen Verleumdung der Sodomie reinzuwaschen?«, erinnerte ihn Scalvetti.
Pater Angelico gab einen resignierten Seufzer von sich. »Also gut, ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte er und wusste im selben Moment, dass er es bereuen würde, eingewilligt zu haben.
29
U nter einem klaren, sonnigen Morgenhimmel zog Bruder Bartolo den Karren mit den Malutensilien hinter seinem schweigsamen Meister her. Zwischen den gut verschlossenen Holzdosen, in denen sich die teuren Farbpigmente befanden, und all den anderen Dingen, die sie für das Auftragen eines Freskos benötigten, lagen auch die beiden Gipsabdrücke.
Pater Angelico hatte beim Beladen des Karrens nur einen flüchtigen Blick auf seine nächtliche Arbeit geworfen. Dazu gesagt hatte er nichts. Aber das knappe Nicken war ihm Lob genug gewesen. Hätte der Meister etwas auszusetzen gehabt, hätte er es ihn bestimmt wissen lassen. Nachlässigkeiten ließ er ihm nicht durchgehen, und darüber wollte er sich auch nicht beklagen.
Worüber der atemlose Novize jetzt gern Klage geführt hätte, war das scharfe Tempo, das Pater Angelico wieder einmal vorlegte. Offenbar war ihm völlig entfallen – oder nicht der Beachtung wert –, dass er, Bruder Bartolo, den schweren Karren durch die belebten Gassen zu ziehen hatte. Unter dem Skapulier die Hände gefaltet, stürmte sein Meister mit wehendem Umhang und grüblerischer Miene der Via Chiara entgegen, als gelte es, in San Giovanni einen Sturmangriff auf einen ahnungslosen Gegner zu unternehmen. Dabei geziemte es sich für einen Mönch doch nicht, eine solche Eile an den Tag zu legen. Dass sein Meister sich allerdings nicht darum scherte, was einem Mann im Rock Gottes gut zu Gesicht stand und was seinem geistlichen Stand nicht angemessen war, stellte für Bruder Bartolo längst keine Neuigkeit mehr dar.
Er fand Trost in dem Wissen, dass es mit dem Ausmalen der Hauskapelle nun endlich weiterging und dass er seinem Meister dabei zur Hand gehen durfte. Das war ihm zuvor in der Werkstatt schmallippig in Aussicht gestellt worden. Er war so begierig darauf, die Kunst der Freskenmalerei zu erlernen, wie er sich wünschte zu erfahren, was Pater Angelico vergangene Nacht so lange vom Kloster ferngehalten hatte – und worüber er jetzt mit finsterer Miene brütete.
Silas Makaris rief bei ihrem Eintreffen im Hof der Petrucci eiligst zwei Hausdiener herbei, die ihnen beim Entladen und Hinauftragen zur Hand gehen sollten. Er hatte seine Lektion gelernt und würde es nicht noch einmal wagen, den Malermönch wie einen Bediensteten anzufahren, er solle seine Sachen gefälligst selbst in die Hauskapelle schleppen.
Pater Angelico würdigte Makaris keines Blickes. Er stürmte an ihm vorbei ins Haus, durchquerte den Innenhof und erklomm die Treppe ins Obergeschoss. Doch schon auf halber Höhe blieb er unvermittelt stehen.
Von oben kam ihm Lucrezia entgegen, in einem herrlichen Gewand aus blass rosafarbenem Damast und mit einem warmen, weinroten Samttuch um die Schultern. Ihr Anblick ließ ihn alles vergessen, was ihn eben noch beschäftigt und zu finsterem Vor-sich-hin-Starren veranlasst hatte.
Leichtfüßig wie eine Gazelle und ein verhaltenes Lächeln auf den Lippen, kam sie die Stufen herunter und blieb stehen, als sie mit ihm auf einer Höhe war.
»Pater Angelico! Es scheint, als dürfe mein Vater sich tatsächlich Hoffnung machen, dass die Hauskapelle noch zu seinen Lebzeiten fertiggestellt wird«, begrüßte sie ihn mit mildem Spott. »Wie schön, dass wenigstens ihm noch nicht alle Hoffnungen genommen sind!«
Ein schwacher Duft von Sandelholz ging von ihr aus, und Pater Angelico meinte, noch nie etwas Herrlicheres gerochen zu haben. Zusammen mit ihrem bezaubernden Anblick verwirrte der Duft seine Sinne. »Ihr seht
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