Der Todesengel von Florenz
konnte. »Fast hätte ich es wieder vergessen«, sagte er und griff in die Tasche seiner Kutte.
»Was, Pater?«
»Das hier!« Damit hielt er ihm den dunkelgrün bezogenen Knopf hin. »Ich habe den Leichnam von Pater Nicodemo gewaschen. Er hielt ihn in seiner starren Faust. Das dürfte ein Knopf vom Wams oder vom Umhang des Mörders sein.«
»Bei Gott, Ihr seid mir ein umsichtiger Mann. Euch entgeht wirklich nichts!«, sagte Scalvetti, hielt den Knopf ins Mondlicht und besah ihn sich. »Mhm, ein hübsches Stück. Aber ich fürchte, der eingestickte Marzocco verrät uns nicht, wem Euer Klosterbruder ihn entrissen hat. Das Motiv des Löwen ist hier in Florenz so beliebt wie die Lilie.«
»Gewiss«, räumte Pater Angelico ein. »Aber der Knopf ist ein Beweis mehr dafür, dass es sich beim Tarotkartenmörder um einen Mann aus gutem, wenn nicht vornehmem Haus handeln muss. So etwas näht sich kein Tagelöhner oder einfacher Handwerker an Wams oder Umhang, denn einen Satz solcher Knöpfe können diese Leute sich schlichtweg nicht leisten.«
»Womit Ihr zweifellos recht habt«, sagte der Commissario und gab ihm den Knopf zurück. »Bewahrt ihn gut auf, wer weiß, wozu. Aber da wir gerade von vornehmen Männern sprechen …« Er zögerte kurz und nagte an der Unterlippe.
»Ja, Commissario?«
»Ich hätte da einen Auftrag für Euch.«
Verwundert sah der Mönch ihn an. »Einen Auftrag?«
»Nun, es geht eher um einen Gefallen, den Ihr mir erweisen könnt. Ich werde in den nächsten Tagen des Öfteren in wichtigen Geschäften außerhalb der Stadt unterwegs sein«, erklärte er. »Außerdem ist es weniger verfänglich, besser gesagt: längst nicht so verdächtig und heikel, wenn Ihr bei den Herren auf den Busch klopft und schaut, wie sie reagieren.«
Ahnungsvoll furchte Pater Angelico die Stirn. »Ihr wollt mir doch wohl nicht antragen, den Sensale, Forlani und Signore Brancoletti zu den Morden zu befragen?«, erkundigte er sich ungläubig.
»Genau das schwebt mir vor, Pater. Und warum auch nicht?« Der Commissario schenkte ihm ein entwaffnendes Lächeln. »Ihr seid dafür genau der richtige Mann.«
»Ihr beliebt zu scherzen!«
»Ganz und gar nicht! Was denkt Ihr wohl, was geschieht, wenn ein Mitglied der Otto di Guardia bei diesen Herren anklopft und sie mit Fragen behelligt, die mit den Morden in Verbindung stehen?« Er gab die Antwort darauf gleich selbst. »Sie werden auf solch ein Ansinnen nicht nur mit heller Empörung reagieren, sondern zutiefst in ihrer Ehre verletzt sein und auf der Stelle ihren Einfluss geltend machen, damit ich für meinen unverzeihlichen Übergriff zur Rechenschaft gezogen werde. Gut möglich, dass ich sogar meines Amtes enthoben werde. Da wird mir weder mein Ruf noch mein eigener, gar nicht so unbeträchtlicher Einfluss helfen. Ihr dagegen …«
»Mir dagegen werden die Herren diese Fragen bereitwillig beantworten, ohne sich in ihrer Ehre verletzt zu fühlen«, fiel Pater Angelico ihm ins Wort und lachte bitter. »Nein, Commissario! Ich denke nicht daran, ins offene Messer zu laufen und meinen Kopf zu riskieren. So eilig habe ich es nicht, festzustellen, ob ich mich nach meinem irdischen Leben vor den Pforten der Hölle oder dem Perlentor zum Himmelreich wiederfinde!«
Tiberio Scalvetti lachte. »Ach was, Ihr riskiert dabei doch nichts. Nicht ein Haar wird Euch gekrümmt, da bin ich mir sicher. Wäre es anders, hätte ich Euch nicht darum gebeten.«
»Und was, mit Verlaub gefragt, macht Euch da so sicher?«
»Dass Ihr als Mann Gottes einen Vertrauensvorschuss genießt. Man wird Euch, weil man Euch nicht kennt, für harmlos halten, schlimmstenfalls für lästig. Außerdem könnt Ihr die Sache ganz anders aufzäumen, so, dass die Herren gar nicht auf die Idee kommen, Ihr könntet mit ihnen sprechen wollen, weil Ihr in Bezug auf die Morde einer Spur nachgeht, die Euch zu ihnen geführt hat«, erklärte Scalvetti im Brustton der Überzeugung. »Wer hat je von einem Mönch gehört, der sich der Aufklärung von Verbrechen verschrieben hat?«
»Von Verschriebenhaben kann auch keine Rede sein«, brummte Pater Angelico, aber er klang schon nicht mehr ganz so ablehnend wie eben noch.
Der Commissario sah, dass er gewonnen hatte. »Wie gesagt, nur mal auf den Busch klopfen und sehen, wie sie reagieren, Pater. Euch fällt bestimmt ein harmloser Vorwand ein, dessen bin ich gewiss. Ihr verfügt doch über einen außergewöhnlichen Einfallsreichtum, der wird Euch gute Dienste leisten. Also seid so
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