Der Todesengel von Florenz
Pferd, dem Rotfuchs. Dass da jemand im Hof stand, nahm er in seiner Erregung gar nicht wahr.
Pater Angelico hatte nur ein paar Sekunden, um sich ein Bild von dem Mann zu machen. Jacopo Forlani war von untersetzter, stämmiger Gestalt und hatte ein kantiges Gesicht mit groben Zügen. Unter tiefliegenden Augen saß eine scharf gebogene Nase, die an den Schnabel eines Raubvogels denken ließ. Gekleidet war er, ganz wie der Bankherr verächtlich bemerkt hatte, in das edle rote Tuch, das früher einmal den Prioren und dem Gonfaloniere vorbehalten gewesen war, nun aber schon seit langem auch von anderen Grandi und Nobili getragen wurde. Aus ebensolchem Stoff war auch sein Barett gearbeitet, unter dem schütteres Haar hervorschaute. Nur seine ginochio, die auf Hochglanz polierten schwarzen Stiefel, die mit silbernen Schnallen verziert waren und ihm bis zu den Knien reichten, passten nicht so recht zu der vornehmen Kleidung.
Mit der Gewandtheit eines erfahrenen Reiters schwang Jacopo Forlani sich in den Sattel, zerrte sein Pferd grob herum und preschte aus dem Hof.
Die Hufschläge waren noch nicht ganz verklungen, da trat auch Matteo Brancoletti aus dem Haus. Er war in Begleitung des händeringenden Sensale, der ihm gerade einmal bis zur Schulter reichte.
Der schmalbrüstige Niccolo Landozzi, dessen Gesicht spitz und grau war wie das einer Maus, trug ein schlichtes, aber aus bestem, taubengrauem Wollstoff gearbeitetes Gewand – wohl Ausdruck vornehmer Selbstbescheidung – und darunter ähnlich schlichte schwarze Beinkleider.
Was für ein anderes Bild dagegen der Bankherr bot! Der gut Vierzigjährige war von großer, athletischer und ansehnlicher Gestalt und hatte prägnant männliche Züge, die Selbstbewusstsein signalisierten – und eine Spur notfalls brutalen Durchsetzungswillens. Seine Kleidung war von Kopf bis Fuß passend für einen Mann von Rang und Namen, der Reichtum mit modischer Eleganz zu verbinden wusste. Er trug feinstes, gerade einmal knöchelhohes Schuhwerk, dessen Leder nussbraun eingefärbt war; weiche, eng anliegende Beinkleider in einem dunkleren, warmen Farbton, die im Schritt in eine stark ausgeformte Schamkapsel übergingen, sowie ein abgestepptes, gefüttertes Seidenwams von saphirblauer Farbe und mit kunstvoll geschlitzten Ärmeln, die mit Seide von der Farbe seiner Beinkleider unterlegt waren. Der Kragen seines kupferfarbenen Umhangs war mit Pelz besetzt, wie auch der Rand seines Baretts, das im selben Farbton gehalten war. Nicht zuletzt trug er Handschuhe aus feinstem Sämischleder, passend zu Umhang und Kopfbedeckung gefärbt.
»Signore, ich bin untröstlich, dass es zu diesem unglücklichen Zusammentreffen mit Si… mit Jacopo Forlani gekommen ist und er dermaßen ausfallend gegen Euch werden musste«, sagte der Sensale hastig, wobei er unablässig seine Hände knetete. »Er hat mir nicht Bescheid gegeben, dass er mich zur selben Stunde aufzusuchen gedachte wie Ihr. Hätte ich das gewusst …«
Der Bankherr, dessen Gesicht von roten Wutflecken gezeichnet war, ließ ihn nicht ausreden. »Spart Euch die wohlfeilen Worte, Landozzi«, rief er. »Davon habe ich genug gehört! Und was dieser vulgäre Emporkömmling von sich gibt, lässt mich ohnehin kalt.«
Von wegen, dachte Pater Angelico. So, wie du eben aus der Haut gefahren bist, haben dich die Grobheiten Forlanis ganz und gar nicht kaltgelassen!
»Genug des Geredes«, fuhr der Bankherr indessen mit eisiger Stimme fort. »Meine Geduld ist erschöpft. Ich kann nicht länger warten, ich will endlich anfangen zu bauen. Deshalb dulde ich auch keine Ausreden mehr. Ihr steht bei mir im Wort, und Ihr werdet gut daran tun, Euch daran zu halten. Ich erwarte, dass Ihr mir innerhalb der nächsten Tage den Vertrag bringt. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Es sei denn, Ihr wollt mich zum Feind haben!«
Der Sensale wurde blass wie ein Leichentuch. »Da sei der Herr vor, Signore!«
»Dann liefert, was Ihr versprochen habt.« Kalt wie ein Messer schnitten die Worte durch die Luft. Dann stieg Matteo Brancoletti in den Sattel, nahm den Zügel auf und jagte ebenso ungestüm aus dem Hof wie nur Augenblicke zuvor Jacopo Forlani.
Der Sensale sah dem Davonstürmenden nach, warf die Hände gen Himmel und rief: »Heilige Muttergottes, was soll nun bloß werden?«
»Ihr scheint mir da in einem rechten Dilemma zu stecken«, machte Pater Angelico sich bemerkbar.
Niccolo Landozzi fuhr herum und starrte ihn verwirrt an. »Wer seid Ihr? Wo kommt Ihr her? Und was habt
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