Der Todesengel von Florenz
noch verkneifen auszusprechen, was ihm auf der Zunge lag.
Pater Angelico warf ihm einen scharfen Blick zu.
Der Novize lief bis unter die Haarspitzen dunkelrot an, senkte beschämt den Kopf und hätte viel darum gegeben, sich augenblicklich in ein Erdloch verkriechen zu können.
»Bereite die Farbe für den Baum vor«, trug Pater Angelico, den es dringend zum Abort zog, ihm knurrig auf. »Ich bin gleich zurück. Aber drück nicht gleich so viel aus den Schweinsblasen, sonst trocknet die Farbe, bevor ich sie verbrauchen kann!«
»Ja, Meister!«
Als Pater Angelico in den Palazzo zurückkehrte, entdeckte er im Innenhof Lucrezia – und die beiden Franzosen. Er konnte nicht hören, was sie redeten, aber es war nicht zu übersehen, dass sie ihr den Hof machten und einander in Schmeicheleien und geistreichen Bemerkungen zu überbieten suchten. Jener Henri de la Croix tat sich dabei offenbar besonders erfolgreich hervor, das verrieten Lucrezias amüsierte Blicke, ihr wohldosiertes glockenhelles Lachen und ihre koketten Bewegungen. Und das Lächeln, das sie dem gutaussehenden Franzosen schenkte, wurde sogar noch eine Spur lieblicher und ihr Lachen lauter, als sie sah, wie er mit verkniffener Miene zu ihr hinüberspähte.
Abrupt wandte er sich ab, stürmte die Treppe hinauf und kehrte zu seiner Arbeit zurück. Doch kaum hatte er den unteren Teil des Baumes der Erkenntnis auf die Wand gemalt, drehte er sich zu seinem Novizen um, drückte ihm den Pinsel in die Hand und sagte: »Mal du weiter!«
»Die ersten Äste, Meister?«, fragte Bruder Bartolo freudig erregt, da er nun auch ein wenig Hand anlegen durfte.
»Nein, mal alles! Den ganzen Rest von dem vermaledeiten Baum!«
Ungläubig starrte der Novize ihn an. »Ihr wollt, dass ich allein …«, stotterte er.
»Hast du es auf den Ohren?«, blaffte sein Meister ihn an. »Ja, du sollst den ganzen Baum malen. Ich muss weg, habe Wichtigeres zu erledigen, als den Dicken mit Fresken zu beglücken!«
»Aber Ihr könnt mich doch unmöglich mit dieser Aufgabe allein lassen, Meister!« Bruder Bartolo erschrak, als ihm bewusst wurde, welche große Verantwortung Pater Angelico ihm da übertrug. »Ich habe noch nie …«
Wieder schnitt ihm sein Meister das Wort ab. »Du kannst es. Wir haben in der Werkstatt oft genug geübt, und ich weiß, dass du deine Sache hervorragend machen wirst. Außerdem kann der Dicke sowieso einen Paradiesbaum nicht von einem verwilderten Zitronenstrauch unterscheiden«, sagte er und fügte, während er nach seinem Umhang griff und zur Tür eilte, noch hinzu: »Ein Affe bleibt ein Affe, selbst wenn er sich in Seide kleidet!«
»Aber was habt Ihr denn so Dringendes vor, dass Ihr ausgerechnet jetzt wegmüsst und mir diese schwere Bürde auferlegt?«, rief Bruder Bartolo völlig verstört.
Pater Angelico war schon halb durch die Tür, als er sich noch einmal kurz umwandte und sagte: »Auf Büsche klopfen!«
30
D er Sensale Niccolo Landozzi bewohnte ein stattliches Eckhaus auf der Via Pietra Piana, von dessen Fenstern aus man einen unverbauten Blick auf die schräg gegenüberliegende Kirche San Ambrogio hatte. Es verriet, dass er sein Geschäft verstand und lukrative Abschlüsse auszuhandeln wusste. Zum Portal gelangte man durch einen kleinen Innenhof, in den man wiederum durch die angrenzende Via de Pentolini kam.
Kaum war Pater Angelico durch das Hoftor getreten, vernahm er auch schon erregte Stimmen, die durch ein offen stehendes Fenster zu ihm nach draußen drangen. Der Sensale hatte Besuch, worauf auch die beiden Pferde schließen ließen, die vor dem Eingang angebunden waren, ein herrlicher Rotfuchs und ein Apfelschimmel von nicht weniger gutem Blut. Dem Tonfall und dem Klang der Stimmen nach zu urteilen, waren die Besucher auf den Sensale ebenso schlecht zu sprechen wie aufeinander. Nur wenige Wortwechsel, und Pater Angelico wusste, dass Niccolo Landozzi seine beiden reichen Kunden Matteo Brancoletti und Jacopo Forlani bei sich hatte und dass in der Runde alles andere als Eintracht herrschte.
Wie schön, da treffe ich ja die ganze Bagage auf einen Schlag, dachte er.
»Kommt mir nicht wieder damit, Landozzi!«, bellte eine kratzige Stimme. »Ich bin Eurer Hinhaltungen und aalglatten Ausreden müde. Ihr habt mir Euer Wort gegeben, dass Ihr Euch der Sache annehmen und tun werdet, was in Eurer Macht steht!«
»Nichts anderes ist mein Bestreben, der Herr ist mein Zeuge«, beteuerte eine dünne Stimme, die nur dem schmächtigen Sensale gehören
Weitere Kostenlose Bücher