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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Matteo Brancoletti ging zu Alessio hinüber und stauchte ihn wegen irgendwelcher avvisi zurecht, die er wohl kürzlich verlegt hatte. Diese Mitteilungen über Währungskurse aus allen Ländern, die bei jedem größeren Bankhaus fast täglich eintrafen, waren für einen Mann wie Brancoletti zur Berechnung von Krediten und Wechseln für Fernreisende so unerlässlich wie das Mehl für einen Bäcker.
    Weder in seiner Lautstärke noch in der Wahl seiner Worte erlegte der Bankherr sich Zurückhaltung auf. Dass der Mönch mitbekam, wie er seinen jüngsten Bruder herunterputzte, schien ihn nicht im Geringsten zu kümmern.
    »Wenn das noch einmal passiert, streiche ich dir für die nächsten Monate die Zuwendungen«, warnte er Alessio, der die Zurechtweisung mit verbissener Miene und Zorn im Blick über sich ergehen ließ. »Und kümmere dich gefälligst darum, dass die Vorkehrungen für unser Kostümfest so getroffen werden, wie ich es befohlen habe!«
    Galeotto, der sich mittlerweile wieder zu Pater Angelico gesellt hatte, seufzte leise. »Für den armen Alessio hat er doch immer ein aufmunterndes Wort auf den Lippen, unser Herr und Gebieter«, murmelte er.
    Wie ausgewechselt, die Freundlichkeit in Person, kehrte Matteo Brancoletti zu Pater Angelico zurück und führte ihn in seinen Palazzo. In der Halle, die etwas düster wirkte und dem Mönch eine Ahnung vermittelte, weshalb der Bankherr so darauf brannte, einen neuen Palast zu errichten, begegnete ihnen eine bildhübsche junge Frau mit leuchtend rotblondem Haar. Sie lächelte dem Hausherrn verhalten zu und erwiderte den Gruß des Mönchs mit einem höflichen Nicken, bevor sie rasch in einem der unteren Zimmer verschwand.
    »Antonetta, die Frau meines jüngsten Bruders«, bemerkte Matteo Brancoletti und fügte geringschätzig hinzu: »Hat diese Perle überhaupt nicht verdient. Weiß der Teufel, was er mit ihr treibt oder, besser gesagt, nicht treibt! Mein Gott, dreieinhalb Jahre und noch immer kein Nachwuchs. Hätte ihr längst einen Sohn machen müssen. Ich habe bereits zwei Stammhalter!« Stolz lag in seiner Stimme.
    »Dankt Gott für den Segen.«
    »Was ich auch tue, Padre! Die beiden sind draußen auf dem Land bei ihrer Amme, sie gedeihen prächtig.«
    Eine balia aus dem Bauernvolk in Dienst zu nehmen, was im Volksmund »Milch kaufen« genannt wurde, und ihr während der ersten zwei, drei Lebensjahre die Aufzucht des Nachwuchses auf dem Land zu übertragen, war eine unter den Wohlhabenden weitverbreitete Sitte. Sie hielten die Stadt für einen Ort, an dem für die Gesundheit ihrer Neugeborenen und Kleinkinder zu viele Gefahren lauerten.
    »Ich werde schon noch dafür sorgen, dass Alessio endlich unserem Haus und der Familie seiner Frau Ehre macht und einen Stammhalter produziert«, knurrte Matteo Brancoletti abschließend. »Doch jetzt kommt, ich will Euch meine Fresken zeigen und Euch einen Eindruck von dem geben, was ich mir für meinen neuen Palazzo wünsche. Ich werde in Kürze mit dem Bau beginnen. Vielleicht kann ich Euch für dieses Vorhaben gewinnen.«
    Das hat mir gerade noch gefehlt, noch ein Palast, noch mehr Fresken, stöhnte Pater Angelico innerlich, ließ sich aber wohlweislich nichts anmerken. Vielmehr gab er eine freundliche, unbestimmte Antwort, die der Bankherr für verhaltenes Interesse halten konnte. Er brauchte noch Zeit, wartete er doch darauf, dass Brancoletti seine Handschuhe auszog und ihm einen Blick auf seine Ringe gewährte. Bei Galeotto und Alessio hatte er einen Ring wie den, den er suchte, nicht entdecken können. Nun war er gespannt, was bei Matteo Brancoletti ans Licht kommen würde, denn beringt waren dessen Hände, das verrieten die drei Erhebungen in dem feinen Leder.
    Doch der Mann tat ihm nicht den Gefallen. Er war zu sehr damit beschäftigt, ihn durch seinen Palazzo zu führen, ihm in seinem sala grande und anderen Gemächern seine Fresken zu präsentieren und wortreich auszuführen, was er in seinem neuen Palast anders und besser haben wollte.
    Als die Führung beendet war, gab es für Pater Angelico keinen Grund mehr zu bleiben. Mit der Versicherung, er werde sich wohlwollend Gedanken über das Angebot des Bankherrn machen, verabschiedete er sich schließlich und kehrte dem dunklen Palazzo verstimmt den Rücken. Es gefiel ihm gar nicht, unverrichteter Dinge abziehen zu müssen.
    Doch als er auf der Straße war und sich die Ereignisse der vergangenen Dreiviertelstunde noch einmal durch den Kopf gehen ließ, kam er zu dem

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