Der Todesengel von Florenz
nachschauen. Danke, dass Ihr Euch die Mühe gemacht habt, Pater.« Und damit steckte er den Knopf ein, ohne dass Pater Angelico etwas dagegen hätte unternehmen können.
Es ärgerte den Mönch gewaltig, dass das Beweisstück auf diese Weise verloren war.
Galeotto wandte sich dem Eingang zu, vermutlich um einen Hausdiener zu rufen, damit dieser den Besucher in den Palazzo führte, doch galoppierender Hufschlag von der Straße her brachte ihn davon ab. »Das klingt ganz nach unserem Bruder! Ihr scheint den Zeitpunkt Eures Kommens gut abgepasst zu haben.«
Und im nächsten Moment preschte Matteo Brancoletti auch schon in den Hof, als gelte es, ein Wettrennen zu dessen rückwärtiger Begrenzung zu gewinnen.
Gleichzeitig trottete ein alter, gefleckter Hund aus der offenen Stalltür und lief dem Apfelschimmel vor die Hufe. Matteo Brancoletti hätte Platz und Zeit genug gehabt, sein Pferd herumzuziehen und dem Hund auszuweichen, doch er unternahm nicht einmal den Versuch, sondern ritt geradewegs über das Tier hinweg.
Der Hund jaulte schrill, als die Hufe ihm die Knochen brachen. Er wurde durch den Dreck geschleudert und blieb, herzzerreißend wimmernd, auf der Seite liegen.
Matteo Brancoletti zügelte sein Pferd vor dem Stall, sprang mit einem Fluch auf den Lippen aus dem Sattel und rief: »Elender Köter, das hast du jetzt davon. Immer bist du einem im Weg! Galeotto, sorg dafür, dass das Gejammer aufhört!«
»Ja, Bruder.« Galeotto, als sei an dieser Aufforderung nichts Ungewöhnliches, griff nach seinem Dolch und schnitt dem Hund die Kehle durch. Das tat er ohne das leiseste Zögern und mit so mitleidloser Miene, als zerteile er eine Wurst.
Pater Angelico sah es mit kaltem Entsetzen.
Alessio, der neben ihm stand, bemerkte das und lachte. »Hat schon seinen Grund, dass wir unseren herzliebsten Galeotto auch il brutto nennen, Padre«, murmelte er, wobei der Vorgang ihn weniger abzustoßen als zu belustigen schien.
Der Bankherr blickte schon fragend zu Pater Angelico herüber, als ein älterer Mann mit einem Schriftstück in der Hand aus dem Haus kam und auf ihn zueilte. »Wenn Ihr einen Blick drauf werfen würdet, Signore«, hörte der Mönch ihn sagen. »Die Zusage muss mit dem Kurier weg, der bereits im Haus wartet.«
»Kaum zu glauben, dass er mal Priester werden wollte, nicht wahr?«, fuhr Alessio indessen süffisant fort, während Galeotto den Kadaver des Hundes zur Stalltür schleifte und nach einem Knecht rief. »Trägt bisweilen sogar noch seinen Bußgürtel. Und das Sackleinen, mit dem er sein Zimmer bespannt hat, hängt da auch noch. Es scheint, als trauere er dem geistigen Stand noch nach, der Gute. Nun, manche haben eben mehr als eine Berufung im Leben.«
Irritiert sah Pater Angelico ihn an. Er fand die Bemerkungen des jüngsten Brancoletti nicht weniger befremdlich als das Verhalten seiner Brüder.
»Ist in Ordnung, Tadeo! Das kann so raus«, sagte der Bankherr zu dem älteren Mann, bei dem es sich offenbar um den Vorsteher seines Kontors handelte, und wandte sich dem Besucher zu. Ohne ein Wort der Entschuldigung, geschweige denn des Bedauerns in Bezug auf das, was der Mönch soeben mit angesehen hatte, fragte er ihn nach seinem Anliegen.
Pater Angelico stellte sich vor und erzählte zum dritten Mal an diesem Tag seine kleine Lügengeschichte.
»Sagtet Ihr, Pater Angelico wie in Angelico Crivelli?«, fragte der Bankherr erstaunt nach, ohne auf die Haussegnung einzugehen. »Seid Ihr nicht der viel gerühmte Freskenmaler, der erst kürzlich ein herrliches Tafelbild für unseren Magnifico angefertigt hat?«
»Das ›viel gerühmte‹ sei dahingestellt, Signore Brancoletti«, antwortete Pater Angelico, »aber dass ich mich auch der Freskenmalerei widme und Tafelbilder anfertige, ist richtig, ja.«
Ein freudiger Ausdruck verscheuchte die leicht verkniffene Miene, die der Bankherr eben noch gezogen hatte. »Was für eine wunderbare Überraschung, Euch persönlich zu Gesicht zu bekommen, Padre! Das mit Eurem Klosterbruder, der Herr sei seiner Seele gnädig, ist leider ein Irrtum«, sagte er gleichmütig und ohne jede Anspielung auf das, was dem Toten durch den Mörder an Todsünde nachgesagt worden war. »Aber Ihr bringt mich auf einen Gedanken. Kommt doch bitte mit ins Haus und lasst uns dort weiterreden.«
Pater Angelico neigte den Kopf. »Gern, wenn es Euer Wunsch ist.«
»Und ob es mein Wunsch ist, Padre! Entschuldigt mich nur einen Augenblick. Ich habe noch kurz mit meinem Bruder zu reden.«
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