Der Todesengel von Florenz
einmal über den Weg, und du kannst deinem Dreckskerl von Klosterbruder Gesellschaft leisten!«, brüllte Jacopo Forlani ihm nach und hob eine drohende Faust.
Pater Angelico winkte fröhlich und machte sich aus dem Staub. Man musste sich nicht jeder Schlacht stellen. Es genügte, die letztlich entscheidende erfolgreich zu schlagen und den Sieg davonzutragen.
32
A n diesem Tag kam Pater Angelico aus dem Sichwundern nicht heraus. Es setzte sich fort, als er sich zum Palazzo der Brancoletti durchgefragt hatte, der sich in bester Lage auf der Via della Stufa erhob, unweit der Kathedrale von San Lorenzo.
Näher kann man dem Dunstkreis der Medici doch gar nicht sein, dachte er erstaunt, lag doch der Palast des Stadtfürsten und seiner Familie nur ein kleines Stück weiter die Via Larga hinauf.
Pater Angelicos Auffassung nach handelte es sich bei dem Palazzo der Brancoletti um ein stattliches Gebäude mit einem geräumigen Innenhof, der auch einen großen Stall beherbergte. An der rechten Schmalseite schloss sich ein einstöckiger Anbau mit einem eigenen, kleineren Vorhof an. Zwar war bei dem Anbau versucht worden, ihn der Architektur des Palastes anzupassen, aber da er offensichtlich viel später entstanden war, hatte man zwangsläufig nicht das erreicht, was einen Bankherrn wie Matteo Brancoletti auf Dauer zufriedengestellt hätte. Wie Pater Angelico später erfuhr, beherbergte der Anbau die Räume der Bank.
Aber der Palazzo schien dem Bankherrn insgesamt nicht mehr zuzusagen. Vermutlich hielt er ihn nicht mehr für standesgemäß, seit die Medici auf der Via Larga ihre beeindruckende Wohnfestung errichtet hatten und andere florentinische Grandi ihrem Beispiel nacheiferten. Nun ja, die Geltungssucht des Menschen kannte ebenso wenig Grenzen wie die von Scalvetti erwähnte Dummheit.
Auf das Staunen folgte ein kurzer Moment der Verwirrung, als er in den großen Innenhof trat und sich dort zwei Männern gegenübersah, von denen der eine Anfang dreißig und der andere vier, fünf Jahre älter sein mochte. Beide sahen Matteo Brancoletti so verblüffend ähnlich, dass er sicher war, Brüder des Bankherrn vor sich zu haben.
Der Jüngere, dem welliges Haar ungewöhnlich lang auf die Schultern fiel und der eine eher sehnige, schlanke Statur hatte, war ähnlich elegant und teuer gekleidet wie der Bankherr, der etwas Ältere hingegen hätte auch als dessen Bediensteter durchgehen können, wenn auch gehobeneren Ranges. Seine Kleidung, wiewohl ebenfalls von bester Qualität und gefälligem Schnitt, ließ jeden modischen Schnickschnack vermissen. Das erdfarbene Gewand hatte in seiner Schlichtheit sogar fast etwas Monastisches, Franziskanisches an sich.
Der jüngere Mann hielt einige mehrfach gefaltete Briefe mit Siegelbändern – also Kurierschreiben – sowie eine größere Papierrolle in der Hand. Beim Erscheinen des Mönches unterbrachen die beiden ihr Gespräch, das von weithin hörbarem, vertrautem Lachen begleitet gewesen war, und sahen ihm mit höflich fragendem Blick entgegen.
Pater Angelico entbot ihnen, wie es sich für einen Ordensmann ziemte, den Friedensgruß, der sogleich zuvorkommend erwidert wurde, und bat, den Signore Matteo Brancoletti in einer persönlichen Angelegenheit sprechen zu dürfen.
»Da werdet Ihr Euch wohl noch etwas gedulden müssen, Padre. Unser Bruder jagt gerade sein neues Spielzeug ein paar Mal um die Stadt oder nach Fiesole hinauf«, sagte der Jüngere spöttisch.
»Alessio!«, wies ihn der andere milde zurecht.
Der Erste zuckte die Achseln. »Stimmt doch, Galeotto.«
»Alessio, der leider einen Hang zu vorlauten Bemerkungen hat, meint, dass unser Bruder einen Ausritt unternommen hat«, erläuterte Galeotto Brancoletti. »Wir erwarten ihn jedoch bald zurück. Also wenn Ihr die Zeit hättet zu warten …«
»Gewiss doch, ich bin nicht in Eile«, sagte der Mönch und nutzte die Gelegenheit, den beiden den Knopf zu präsentieren. Gehörte er dem Bankherrn, hatte, so hoffte er, wohl keiner der beiden einen Grund, dies zu leugnen. »Ich habe ihn vor Eurem Hoftor auf der Straße gefunden. Womöglich ist er Euch oder Eurem Bruder von der Kleidung gesprungen.«
Alessio beugte sich vor. »Kann schon sein, Padre. Kommt mir jedenfalls bekannt vor.«
»Lasst sehen«, sagte Galeotto und griff nach dem Knopf, wobei Pater Angelico den Eindruck hatte, dass der Mann kurz stutzte. »Na, ich weiß nicht. Kann mich nicht erinnern, hier im Haus schon solche Knöpfe gesehen zu haben. Aber ich werde
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